An der Bismarckstraße gibt es 410 öffentliche Parkplätze. Viel zu wenig, damit dort alle Autos unterkommen können.

An manchen Tagen ist die Not so groß, da ist selbst das absolute Halteverbot besetzt. Da kann man seinen Wagen an der Bismarckstraße noch nicht einmal illegal abstellen und dabei hoffen, dass man am nächsten Morgen früher am Auto ist als der Knöllchenschreiber. Das passiert meist nachts nach 23 Uhr. Wenn Kneipen und Restaurants schließen und die Bewohner schon längst zu Hause sind - es also so spät geworden ist, dass niemand mehr das Viertel verlässt. Weil alle schon weg oder angekommen sind. Außer man selbst. Dann beginnt die verzweifelte Suche nach einem Parkplatz, der hoffentlich ein wenig näher an der eigenen Wohnung liegt als an dem Ort, von dem aus man gerade hierhergefahren ist.

Die Verzweiflung führt vereinzelt auch zu Aggressionen. Davon berichtet etwa Anja Hermes. Vor einiger Zeit stellte sich die zweifache Mutter mit ihrem Opel Zafira auf einen Parkplatz an der Bismarckstraße, den ein Nachbar notdürftig mit Stühlen für einen Umzug abgesperrt hatte. Das Geld für eine kostenpflichtige Halteverbotszone wollte er sich sparen, und Anja Hermes hatte schwer zu schleppen. "Während ich meine Töchter auf dem Arm hatte, kippte der mir doch glatt eine Seltersflasche über den Kopf." Eine Szene wie aus dem Film, nur dass sie leider ganz real war.

Die Bismarckstraße ist rund 1,2 Kilometer lang und verläuft parallel zum Kaiser-Friedrich-Ufer. Sie kreuzt 14 Querstraßen von der Hoheluftbrücke bis zum Weidenstieg. Darunter befinden sich so beliebte Quartiere wie das Generalsviertel. Dabei durchläuft die Bismarckstraße zwei Stadtteile, Hoheluft-West und Eimsbüttel. Die wichtigste Zahl für Autofahrer ist aber folgende: 410. So viele Parkplätze gibt es dort laut Bezirksamt Eimsbüttel "im öffentlichen Raum". Auf die haben es Bewohner, deren Gäste, Restaurantbesucher oder die Fitnesstreibenden der Kaifu-Lodge abgesehen.

Die Zahl der Autos, die tatsächlich an der Bismarckstraße abgestellt werden, ist nicht bekannt - und jede Nacht unterschiedlich. Je nachdem, wie die Leute parken. Stellen sie sich halb in eine Einfahrt oder vor einen Baum und ragen dabei mit dem Heck in die Straße, dann passt locker die Hälfte mehr Autos hinein. Erst recht, wenn gänzlich Skrupellose ihre Autos an den Ecken der Seitenstraßen abstellen und der Bürgersteig zum Hindernisparcours für Fußgänger wird. Für die Autofahrer wird das Abbiegen zum Glücksspiel.

Dann können sie froh sein, wenn nicht gerade ein Knöllchenschreiber unterwegs ist, sondern Thorsten Adam. Der ist Bürgernaher Beamter von der zuständigen Polizeiwache an der Troplowitzstraße. Knöllchenschreiber kennen keine Gnade. Ihr Job ist es, Falschparker aufzuschreiben. In schlimmen Fällen droht der Autoknast. Mit 280 Euro kann man dann rechnen. Adam dagegen kann schon mal Gnade vor Recht ergehen lassen. "Bevor ich schleppen lasse, sage ich Bescheid." Dann lässt er den Halter ermitteln, und wenn der tatsächlich in der Gegend wohnt, klingelt der Oberkommissar an der Haustür und macht auf den Verstoß aufmerksam. Aber auch seine Geduld hat Grenzen. Wenn ein "Eckenparker" trotz mehrmaliger Belehrung keine Einsicht zeigt, kommt der Abschlepper. "Es gibt nun mal Leute, die brauchen eben einen Denkzettel."

Babette Seidner wohnt seit 2002 an der Bismarckstraße. Besonders in den letzten vier Jahren habe sich die Situation verschlechtert, sagt die 44-Jährige. "Früher habe ich immer grundsätzlich vor dem Haus geparkt, heute passiert das vielleicht noch einmal im Monat, mit Glück." Wer es sich leisten kann, mietet einen Platz in der Tiefgarage. Im Bereich der Bismarckstraße werden dafür bereits 130 Euro im Monat aufgerufen. Trotzdem gibt es lange Wartelisten. Natürlich gibt es auch welche zu kaufen im Viertel. Für 22 000 Euro.

Das war Mitte der 70er-Jahre überhaupt kein Thema. "Die Leute hatten damals noch nicht so viele Autos", sagt Ingo Adam. Seit 1977 wohnt er an der Bismarckstraße. Er erinnert sich noch daran, dass die Autos damals parallel zur Straße parkten - und trotzdem alle Platz genug hatten. Heute stehen die Wagen schräg zum Bürgersteig, weil dann mehr von ihnen dorthin passen. Aber natürlich nicht alle. Deshalb kassiert auch der Pensionär im Durchschnitt einmal im Monat ein Knöllchen.

Ingo Adam ärgert sich darüber, dass die Knöllchenschreiber angeblich nur morgens kommen. "Die steigen um acht Uhr hier aus und schreiben nur uns Anwohner auf." Stattdessen, so fordert er, sollten sie lieber am Abend kommen. "Wenn die Besucher der Kaifu-Lodge hier alles vollparken."

Mit derartigen Unannehmlichkeiten hat Meike Lampé schon lange nichts mehr zu tun. Sie fährt Rad. Als sie noch einen Wagen hatte, sei sie auf der Suche nach einem Parkplatz bis zu einer halben Stunde in der Gegend herumgekurvt. Mit ihrer Schwester, die im selben Haus wohnt, hatte sie einmal überlegt, sich wieder einen Wagen zu kaufen. "Aber den Stress mit den Parkplätzen tun wir uns einfach nicht mehr an."

Die wenigen Male, wo es ins Möbelhaus geht, bekomme sie auch so geregelt. Fast mitleidig sieht sie sich dann morgens die Autos an, die irgendwie so halb auf dem Fußweg stehen - mitleidig wegen der Anwohner und der Radfahrer. Und dann noch der Ärger über jene Autofahrer, die so rücksichtslos parken, dass sie mit ihrem Wagen zwei Plätze besetzen. "Ich kann so etwas nicht verstehen", sagt Anja Hermes, die laut eigenem Bekunden immer so eng am Nachbarwagen parkt, dass noch genug Platz für andere bleibt. "Wenn man hier wohnt, dann weiß man doch um die Nöte." Auch Babette Seidner fehlt das Verständnis. Vor allem für die Eckenparker. "Die Schulkinder können morgens die Straßen nicht einsehen, die sie überqueren müssen, das ist teilweise katastrophal", sagt sie.

Wer darum weiß, parkt ohnehin woanders. An Orten, die sich die Anwohner über Jahre ausgeguckt haben. Etwa vor den Schulen, auf der anderen Seite des Kaiser-Friedrich-Ufers. Oder man gibt den einmal ergatterten Parkplatz einfach nicht mehr auf. Im Prinzip darf der Wagen dort so lange stehen, wie der Halter Kfz-Steuern zahlt und das Auto TÜV hat. Etliche Autos an der Bismarckstraße haben bereits Moos angesetzt. So groß scheint die Not inzwischen geworden zu sein.