Eine Glosse von Jens Meyer-Odewald

Auch Straßenkundler mit wunden Hacken müssen rasten. Kleine Pause vor dem Eiscafé Dante in Nienstedten. Durchwachsenes Herbstwetter; unter den Schirmen schnacken Gäste, einige lautstark. So erfährt man ungefragt in Kürze alles Wesentliche aus dem Stadtteil, von den Einheimischen liebevoll als "Dorf" bezeichnet. Der Cappuccino schmeckt klasse. Eiskugeln hat die Ehefrau verboten, Kuchen erst recht. Mann gehorcht.

Plötzlich kommt die Wirtin des italienischen Restaurants Il Sole vis-à-vis über die Straße gelaufen. Sie serviert, neben einem Lächeln, Gratisgebäck aus Mailand. Noch bevor der Dank erfolgen kann, eilt sie davon. "Tschüs, Marlis!", ruft ihr ein Mann hinterher.

Die Nachbarn vor dem Eiscafé sind neugierig geworden: Wer hat ein solches süßes Glück verdient? Und warum? Es beginnt ein Klönschnack, der viel länger dauert als geplant. "Das Abendblatt zählt Straßen?", will eine junge Dame mit Kinderwagen wissen. Ja, stimmt. Man kommt ins Plaudern. Und auf einmal ist der Nachmittag vorbei - und die Arbeit wird auf morgen verschoben. Der fröhliche Kellner bringt noch einen Kaffee. Mit einem verführerischen Keks. Nette Menschen - aber schlecht für die Arbeitsmoral ...