Am Sonnabend eröffnet das Wälderhaus. Unter seinem begrünten Dach beherbergt es eine Ausstellung, Seminarräume, Gastronomie und ein Hotel

Wilhelmsburg. Sein Korsett, das Baugerüst, hat es abgestreift. Wie ein futuristisch anmutendes Holz-Ufo steht das Wälderhaus mitten auf der Großbaustelle von Internationaler Bauausstellung (IBA) und Internationaler Gartenschau (igs). Die Fassade aus Lärchenholz mit ihren bepflanzten Terrassen hebt es deutlich ab von den modernen Gebäuden ringsherum, in seinen großen, asymmetrischen Fenstern spiegelt sich der Himmel.

Vor zwölf Jahren hat die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW), die sich 1947 als erste Bürgerinitiative Deutschlands gründete, um Wälder vor den Rodungen der Alliierten zu schützen, mit den Planungen zu einem Dokumentationszentrum begonnen. Diese wurden im Laufe der Zeit immer weiter entwickelt, in den vergangenen sieben Jahren durch das Hamburger Architekturbüro Andreas Heller. Entstanden ist ein weltweit einmaliges Multifunktionsgebäude, das unter seinem begrünten Dach vier Bereiche vereint: die Ausstellung Science Center Wald, Seminar- und Tagungsräume, das Restaurant Wilhelms und das 82-Zimmer-Hotel Raphael Wälderhaus.

Das Hotel, dessen Zimmer nach einheimischen Bäumen benannt sind, wird heute seinen Betrieb aufnehmen. Das Wälderhaus selber präsentiert sich der Öffentlichkeit morgen mit einem Tag der offenen Tür, die Presse durfte gestern schon gucken.

Gleich in der Lobby des fünfstöckigen Gebäudes wird der Besucher auf eine Materialkombination aufmerksam, mit der Architekt Heller überall in den unteren Etagen spielt: warmes Holz trifft auf nackten Beton und freiliegende Haustechnik. Zur Linken liegt das Restaurant Wilhelms, das regionale Produkte anbietet, rechts befinden sich die Ausstellungsräume. Vor dem Eingang stehen Mikroskope auf Holzblöcken. "Hier können sich die Besucher mit den kleinsten Organismen des Waldes beschäftigen, bevor sie in der Ausstellung auf die größeren stoßen", sagt Rüdiger Kruse, SDW-Geschäftsführer und Hamburger CDU-Politiker. Wer durch eine große hölzerne Tür die 600 Quadratmeter große Ausstellungsfläche betritt, findet sich zwischen mächtigen Baumstämmen wieder, die bis an die Decke reichen. "Es sind Bäume, die Anfang des Jahres geschlagen wurden, weil sie schief standen, krank waren oder vom Blitz getroffen wurden", sagt Architekt Andreas Heller, der nicht nur das Gebäude, sondern auch Ausstellung und Hotel konzipiert hat. Über geriebenen Kork, der an einen weichen Waldboden erinnert, betritt man dann das Science Center. An 80 Stationen wird hier die ökologische Funktion des Waldes, seine Rolle für Klima und Wasserhaushalt und seine kulturelle Bedeutung dargestellt. Da gibt es Schaukästen mit Pilzen, Zapfen, Rindenstücken oder Waldblumen, Erklärungen zu Bodenbeschaffenheit und Wurzelwerk. In der sogenannten Wunderkammer hängen an Fäden zahlreiche Fundstücke aus dem Wald, echte und nachgebildete, Pflanzen, Tierschädel, Vogelnester und Eichhörnchenkobel, die sich durch Knopfdruck bewegen. In einer in die Wand eingelassenen Schauvitrine sind verschiedene Waldtiere in ihrer natürlichen Umgebung ausgestellt.

Im zweiten Stock beschäftigt sich die Ausstellung mit dem Wald in der Stadt. "Dazu gehören Parks, aber auch die Straßenbegrünung", sagt Andreas Heller. Dargestellt sind Waschbär, Elstern und Fuchs, die sich auf Treppen und an Abfallkörben tummeln - aber nach Unfällen auch Spuren an den drei Autos hinterlassen haben, die Heller in die Ausstellung integriert hat. Des Weiteren gibt es eine Installation, die sich mit der Nutzung des Waldes in den letzten 7500 Jahren beschäftigt, ein Kobel genanntes Kino sowie ein Labor und Seminarräume für umweltpädagogische Arbeit. Hingucker im Treppenhaus ist ein mächtiges Stück versteinertes Holz, 20 Millionen Jahre alt.

"Wir wollen die Bedeutung des Waldes für die Stadtmenschen sichtbar machen", sagt Rüdiger Kruse. Wilhelmsburg, ein Stadtteil im Aufbruch, sei mit seiner Natur und der schroffen Industrie dafür gut geeignet.

17 Millionen Euro hat das Wälderhaus inklusive Hotel gekostet, das über eine Gesamtfläche von 6000 Quadratmetern verfügt. In Sachen Energieeffizienz erfüllt das Wälderhaus die IBA-Exzellenzkriterien: Sämtliche Bohrpfähle sind mit Geothermie ausgestattet, der zusätzliche Strom kommt aus erneuerbaren Energien, auf dem Dach steht eine Fotovoltaikanlage. Drum herum wurden 9500 Pflanzen, darunter 500 kleine Bäume wie kanadische Felsenbirne, Feldahorn oder Hainbuche gepflanzt. Dach- und Fassadenbegrünung wird von der HafenCity-Universität wissenschaftlich begleitet - unter dem Motto "Smart green Cities" beschäftigen sich die Studenten mit Fragen, wie man Städte ökologisch verbessern kann.

Beim Brandschutz haben Architekt, Stadt und die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Neuland betreten. Das 21 Meter hohe Wälderhaus ist das erste Hamburger Gebäude seiner Höhe, dessen obere drei Stockwerke in Massivholzbauweise errichtet werden durften. "Normalerweise ist das nur bis zu einer Höhe von 13 Metern erlaubt", sagt Architekt Heller. Beim Wälderhaus kamen noch vor ihrer offiziellen Einführung neue europäische Bemessungsregeln zum Einsatz: Die tragenden Wände sind so dick, dass sie im Falle eines Brandes schnell gelöscht sind. Doch nicht nur Außen- und Innenwände des Hotels bestehen aus Holz, sondern auch das Mobiliar: Holzblöcke sind Nachttische, Äste Lampenhalterungen. Die Zimmer entsprechen einer gehobenen Drei-Sterne-Kategorie und kosten je nach Größe ab 75 Euro pro Nacht. Das Wälderhaus ist täglich von 10 bis 18 Uhr (im Winter bis 17 Uhr) geöffnet. Der Eintritt beträgt für Erwachsene 5,10 Euro (ermäßigt 4,30 Euro) und für Kinder 2,70 Euro.