Am Sonin- und am Mittelkanal sollen bis zu 1800 preiswerte Wohnungen errichtet werden. Der Stadtteil würde die Zahl seiner Einwohner damit mehr als verdoppeln

Hammerbrook. Vom Boot sieht Hammerbrook idyllischer aus. Mit einem leisen Tuckern schwimmt die Barkasse "Robbe" das Hochwasserbassin entlang. Links ragen Bürobauten in die Höhe und verschlucken den Verkehrslärm des Heidenkampswegs. Die rechte Uferseite bietet herbstlich bunte Bäume, verwunschene Uferböschungen. Hier und da steht ein verlassenes Backsteingebäude.

Andy Grote, Bezirksamtsleiter von Mitte, hat zu dieser Bootsfahrt geladen und versprochen, "versteckte Potenziale" von Hammerbrook zu zeigen. Die Barkasse biegt in den Mittelkanal ein. Hier reichen die Bürogebäude bis ans Wasser. Hinter der S-Bahn-Brücke weitet sich der Blick. Das Ufer lässt Platz für Bäume und einen Weg. Bauarbeiter sind mit den letzten Arbeiten an der Deutsche-Bahn-Zentrale beschäftigt, die Ende des Jahres von 950 Mitarbeitern bezogen werden soll.

Hammerbrook ist ein eigenartiger Stadtteil. Bis zum Stadtzentrum sind es zwar nur ein paar Hundert Meter. Aber Verkehrstrassen haben das Viertel im Süden, Osten und Norden eingemauert. In der City Süd reiht sich ein Bürogebäude an das andere. Nach Hammerbrook fährt man eigentlich nur, um zu arbeiten, oder man tangiert das Viertel auf dem Weg zu den Elbbrücken.

Ganze 1703 Einwohner zählt der Stadtteil. Auf einen Quadratkilometer kommen 681 Einwohner. Zum Vergleich: Im Hamburger Schnitt sind es 2313. Der Bezirksamtsleiter weiß um die Probleme des Viertels. Einst hätten hier mehr als 60.000 Menschen gelebt, erzählt er. Im Zweiten Weltkrieg dann wurde Hammerbrook von Bombern der Alliierten fast vollständig zerstört.

Doch das ist Vergangenheit. Auf der Barkasse spricht Grote von Hammerbrooks "Chance als Wohnstadtteil". Er preist die "Nähe zur HafenCity" und die "moderaten Büromieten". In einer Metropole wie Hamburg, die jedes Jahr 6000 Wohnungen bauen will, ist Baugrund ein rares Gut. Grote weiß das und sagt: Flächen für Wohnungsbau gibt es in Hammerbrook reichlich. Die Ziele des Bezirksamtsleiters sind denn auch ehrgeizig. Bis zu 1800 Wohnungen will er an den Kanälen bauen lassen.

Inzwischen hat unsere Barkasse den Soninkanal erreicht. Auch wenn über die nahe Amsinckstraße der Mittagsverkehr rollt - hier, auf dem Wasser, ist davon nicht als ein Grundrauschen zu hören. Auf der westlichen Seite sind Bauarbeiten im Gange. Neben dem neuen ADAC-Gebäude werde ein Viersternehotel entstehen, sagt Grote.

Von dem gegenüber liegenden Kanalufer ist wenig zu erkennen. Bäume verdecken die Sicht, eingangs steht ein wuchtiges Backsteingebäude mit vielen Büros. "Hier werden 330 Wohnungen entstehen", schwärmt der Bezirkschef. Sechsgeschossige Backsteingebäude mit Balkonen zum Kanal. Der Innenhof werde Platz für einen Park bieten - ein Ort der Ruhe, weil ein Wohnblock das Gelände zur Soninstraße hin abschließt.

Besonders stolz ist Grote aber auf die Entwicklung des angrenzenden ehemaligen Sharp-Grundstücks. 700 Wohnungen würden hier entstehen, dazu ein Neubau des Sharp-Verwaltungssitzes, in dem eine Kita und Einzelhandel unterkämen. Ein Drittel der Wohnungen würden Sozialwohnungen sein. Der SPD-Politiker erhofft sich eine Aufwertung des Viertels, "wenn hier Menschen heimisch werden".

Wohnungen für Singles und junge Paare werden anfangs überwiegen. "Familien sind eher nicht Pioniere, die so ein Wohnumfeld erobern", sagt Grothe. Allerdings ist er sich sicher, dass in ein paar Jahren Familien nachziehen werden. Die Wohnungen könnten dann angepasst werden, sagt Helmut Köhler, dessen Unternehmen Köhler & von Bargen, die Grundstücke entwickelt. Rund 350 Millionen Euro werden in diese beiden Projekte investiert, ergänzt Jan Petersen von Aug.Prien Immobilien. Petersen fasziniert, ein ganzes Quartier entwickeln zu können.

Das Besondere an dem Sharp-Grundstück steckt allerdings im Verborgenen. Eigentlich tun Wirtschaftsbehörde und Handelskammer sich schwer damit, Gewerbegrundstücke für den Wohnungsbau freizugeben. "In diesem Fall hatte Sharp selbst Interesse an der Aufwertung des Standorts", sagt Grote. Zwar haben sie das Grundstück verkauft und geben eine Logistikhalle auf. Aber der Neubau des Bürogebäudes werde Standort von Sharp bleiben.

Grote weiß um die politische Brisanz dieser Entwicklung und um die Widerstände in der Wirtschaft. "Mit den Wohnprojekten verdrängen wir kein Gewerbe", sagt er beschwichtigend. Stattdessen würden "Mischgebiete" geschaffen, in denen Büroimmobilien und Wohngebäude nebeneinander existierten. "Minderwertige Nutzung" von Gewerbeflächen - beispielsweise für die Lagerung von Schrottautos - auf Grundstücken in Innenstadtnähe hält Grote allerdings für Verschwendung.

Als die Barkasse sich auf den Rückweg macht, wagt der Bezirksamtsleiter die Prognose, dass schon 2015 die ersten Mieter am Soninkanal wohnen werden. Im kommenden Jahr könnten die Bauanträge gestellt werden. Dann sei es bis zum Baustart nicht mehr weit. Jan Petersen reizt, in Innenstadtnähe bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Teuer bauen könne jeder, sagt er. "Hier geht es aber darum, preiswerte Wohnungen für ein ganzes Quartier zu entwickeln."