Bauherr sichert in letzter Minute Sanierung mit EU-Geld, weil die Künstlerinitiative ihren Antrag im Streit zurückzog.

Neustadt. Nach wochenlangen internen Auseinandersetzungen ist die Sanierung des Gängeviertels in letzter Minute sichergestellt worden. Kurz vor Ablauf der Frist am 30. September hat die Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg) vor zwei Tagen in Brüssel einen Antrag auf EU-Fördermittel in Höhe von 400 000 Euro abgegeben. Ohne dieses Geld wäre die Finanzierung des ersten Bauabschnittes mit der Sanierung der Fabrik in Höhe von 2,7 Millionen Euro nicht möglich gewesen.

"Wir mussten im Interesse des Projekts aktiv werden und die Sache in die Hand nehmen", sagte Hans Joachim Rösner, Geschäftsführer der Steg. Der private Träger ist Eigentümer des Gängeviertels und als Bauherr zuständig für die Durchführung der Sanierung. In einer Kooperationsvereinbarung einigte sich die Stadt vor einem Jahr mit der Gängeviertel-Initiative "Komm in die Gänge" auf ein gemeinsames Vorgehen bei der Sanierung und der Nutzung.

Worum wurde intern seit Wochen gestritten? Um an die EU-Gelder für die Baumaßnahmen, die sogenannten EFRE-Mittel, zu kommen, sollte die Initiative ein schlüssiges Betriebskonzept für die Fabrik im Gängeviertel vorlegen. In dem Veranstaltungszentrum sollen nach der Sanierung auf rund 1700 Quadratmetern Konzerte, Filme, Theater und Fotoausstellungen sowie Workshops die Besucher anlocken. Das Betriebskonzept der Initiative beinhaltete dann auf der Einnahmenseite eine "regelhafte Förderung" der Stadt in Höhe von knapp 250 000 Euro. Eine Summe, die bei den Vertretern der Steg, der Kultur- und Finanzbehörde sowie der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt für Irritationen gesorgt hat. "Im bisherigen Projektverlauf war in den Gesprächen mit der Initiative von einer dauerhaften, jährlichen Förderung für Personal durch die Stadt nie die Rede", sagt Rösner. Es sei immer um ein Projekt gegangen, das sich selbst trägt. Grundlage sei für die Fabrik eine Nettokaltmiete von 4,75 Euro pro Quadratmeter, die auch durch Querfinanzierung erreicht werden sollte. Am 18. September teilte die Stadt dem Gängeviertel-Verein mit, dass eine institutionelle Förderung "in der aktuellen Haushaltslage" nicht möglich sei. "Auch eine Absichtserklärung, dass seitens der Stadt Hamburg nach Sanierung aller Gebäude (bis circa 2020) eine strukturelle Förderung erfolgen soll, ist schon haushaltsrechtlich zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich." Fazit: "Dadurch ist das Betriebskonzept wirtschaftlich nicht schlüssig und müsste vonseiten der EFRE-Behörden abgelehnt werden."

Um die 400.000 Euro aus Brüssel nicht abzuschreiben, wurde die Gängeviertel-Initiative aufgefordert, bis zum 24. September ein aktualisiertes Konzept vorzulegen. Andernfalls habe der Wegfall der EU-Gelder zur Folge, "dass die Steg die weitere Planung bezüglich der Fabrik vorerst einstellen müsste".

Ein kritisches Szenario, denn bereits im März gab es angesichts der maroden Bausubstanz Unverständnis über die schleppende Sanierung. "Bevor die Bausubstanz weiter leidet, müssen jetzt wenigstens die nötigen Reparaturen gemacht werden. Die Sanierung des Gängeviertels muss schnellstmöglich beginnen", sagte Olaf Duge, Bauexperte der Grünen damals. "Eine weitere Verschleppung der Renovierungsarbeiten führt dazu, dass die Bausubstanz sich mit jedem Monat verschlechtert", meinte Jörg Hamann (CDU).

Am 20. September teilte die Gängeviertel-Initiative der Stadt mit, unter den Voraussetzungen den EFRE-Antrag zurückziehen zu müssen. Was nun?

Damit stand plötzlich ein Projekt vor dem Aus, das Hamburg bundesweit positive Schlagzeilen gebracht hatte. Schließlich beschloss die Steg, den Antrag selbst zu formulieren und in Brüssel einzureichen. "Die einmalige Chance der sicheren Finanzierung musste genutzt werden, sonst wären die Gelder weg gewesen und die Gesamtfinanzierung der Sanierung hätte in den Sternen gestanden", sagt Hans Joachim Rösner.

Und was sagt die Gängeviertel-Initiative zu dem Streit? Das Abendblatt bat um eine Stellungnahme. Christine Ebeling, Sprecherin der Initiative, wollte sich nicht detailliert äußern und sagte lediglich: "Die Stadt hat aus unserer Sicht nach wie vor den selbst verschuldeten Zustand der Häuser zu verantworten, und für nichts anderes werden die Mittel verwendet, dem werden wir natürlich nicht im Wege stehen, sondern gerne dazu beitragen die Kosten so gering wie möglich zu halten. Auch das erfordert noch viele Gespräche."

Dazu Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde: "Uns ist bewusst, dass sich die Gängeviertel-Initiative seit drei Jahren sehr engagiert ehrenamtlich für das Viertel einsetzt. Über die Subventionierung der Flächen hinaus haben wir jedoch mit Blick auf die Haushaltslage von Anfang an keine dauerhafte finanzielle Unterstützung des Gängeviertels als Kulturzentrum in Aussicht gestellt. Aus dem Kulturetat können derzeit nur einzelne Projekte gezielt gefördert werden. Darüber hinaus werden wir weiter zusammen mit den anderen beteiligten Behörden, dem Bezirk, der Steg und mit der Initiative nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten suchen."