Vor 275 Jahren wurde in Hamburg Deutschlands erste Loge gegründet - eine Spurensuche. Der Bund wurde immer wieder angefeindet.

Hamburg am 6. Dezember 1737: Fünf Herren treffen sich in der Taverne, die der Gastwirt Jens Arbien in der Großen Bäckerstraße betreibt. Man zieht sich in einen separaten Raum zurück, wo keine Störung zu erwarten ist. Hier vollziehen Charles Sarry, Georg Ludwig von Obegg, Peter Casper, Peter Stüven und Johann Daniel Krafft mit einem feierlichen Ritual die Gründung einer Freimaurerloge. Das ist nicht nur für Hamburg eine Premiere, die "Heilige Loge des hl. Johannes" wird zum Ausgangspunkt der Freimaurerei in ganz Deutschland und sogar darüber hinaus. Mit dem Jubiläum der ersten deutschen Loge, die sich später in "Absalom zu den drei Nesseln" umbenannte, feiern die Freimaurer in diesen Tagen in Hamburg mit Veranstaltungen, Ausstellungen und einem Konvent das 275-jährige Bestehen ihres Bundes in Deutschland. Ein Höhepunkt war gestern die Eröffnung einer Bauhütte auf dem Gänsemarkt. In seinem Grußwort forderte Nigel Brown, der Großsekretär der englischen Großloge, eine neue Kultur der Offenheit: "Freimaurer, gebt euch zu erkennen!"

1717 war in London die erste Großloge ins Leben gerufen worden, was als Geburtsdatum der modernen Freimaurerei gilt. Diese entstand zwar unter dem Einfluss der Aufklärung, hat aber Wurzeln, die ins Mittelalter zurückreichen, in die Zeit, in der in Frankreich, England und Deutschland die großen Kathedralen errichtet wurden.

Konstruktion und Ausführung dieser himmelwärts aufstrebenden Bauwerke erforderten enorme Kenntnisse und Erfahrungen. Die damaligen Handwerker gaben die Geheimnisse ihrer Baukunst nur nach strengen Regeln weiter. Anders als in den Zünften herrschte hier ein hohes Maß an geistiger Freiheit. Die Angehörigen der Dombauhütten pflegten Rituale, die sich auf jene Bibelstellen bezogen, die das Bauhandwerk thematisieren. Als Ideal der Vollkommenheit, als Sinnbild göttlicher Offenbarung und zugleich als unerreichbares Vorbild galt den mittelalterlichen Dombaumeistern der Salomonische Tempel, dessen Bau und Konstruktion im Ersten Buch der Könige ausführlich und detailreich beschrieben wird. Die von rationalem Wissen wie spiritueller Erfahrung gleichermaßen durchdrungene Welt der mittelalterlichen Steinmetze war für eine Gruppe englischer Aufklärer so faszinierend, dass sie sich bei der Gründung ihrer Loge daran orientierten. Toleranz sowie die Ideale von Humanität, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sind für die Freimaurer grundlegend, was sie in der Geschichte immun gemacht hat gegen jede Form von Chauvinismus.

Gleichwohl wurde der Bund immer wieder angefeindet und oft auch verboten. "Es ist sicher nicht zufällig, dass ausgerechnet Hamburg zum Ausgangspunkt der Freimaurerei in Deutschland wurde, denn die vergleichsweise liberale Atmosphäre der Stadtrepublik schuf jenen Freiraum, den der Bund zu seiner Entwicklung brauchte", sagt Christian Polscher, der Mitglied der Johannis-Loge "Zur Hanseatentreue" ist. Insgesamt gibt es in Hamburg heute 37 Logen mit mehr als 1500 Mitgliedern. Polscher hat jahrelang recherchiert, hat Biografien erforscht, Dokumente in Archiven studiert und an Bauwerken und Denkmälern nach Hinweisen gesucht, um die vielfältigen Spuren zu entdecken, die Freimaurer in der Geschichte und im Stadtbild Hamburgs hinterlassen haben. Herausgekommen ist ein Sammelband unter dem Titel "Streifzüge durch Hamburg. Auf den Spuren bekannter Freimaurer", der pünktlich zum Jubiläum erschienen ist.

Natürlich sind viele Hamburger Freimaurer bekannt, wie Lessing oder Semper. Andererseits weiß man von zahlreichen bekannten Hamburgern nicht, dass auch sie Mitglied einer Loge waren - zum Beispiel der Michel-Baumeister Ernst Georg Sonnin oder der Rathaus-Architekt Martin Haller. "Besonders anziehend wirkte die Loge auf Künstler, Architekten, Komponisten, Musiker und Schriftsteller. Mitglieder waren aber auch Bürgermeister, Senatoren und Pastoren und in Hamburg natürlich auch Kaufleute, Reeder und Kapitäne", sagt Polscher, der zahllose Geschichten und Ereignisse nennen kann, die mit dem Wirken von Freimaurern in der Hamburger Stadtgeschichte verbunden sind. Wir sind seinen Vorschlägen gefolgt und entdecken auf einem Spaziergang vom Hauptbahnhof bis zum Gänsemarkt auf neun Stationen Gebäude, die mit dem Wirken von Freimaurern verbunden sind. "Neun ist eine gute Zahl", meint Polscher, "sie ist die dreimalige Wiederholung der Zahl Drei, die für unsere Symbolik und Rituale große Bedeutung besitzt."

275 Jahre Freimaurer in Deutschland und Loge "Absalom zu den drei Nesseln" Infos zum Festprogramm unter http://275.freimaurer.org oder telefonisch unter 040/75 11 67 01