Selbst die Notunterkunft Pik As an der Neustädter Straße ist inzwischen chronisch überlastet. Stadtmission spricht von “zugespitzter Lage“.

Hamburg. Die angespannte Lage auf dem Hamburger Wohnungsmarkt treibt immer mehr Menschen in die Obdachlosigkeit. Selbst die Notunterkunft Pik As an der Neustädter Straße, letztes Auffangbecken für wohnungslose Menschen, ist inzwischen chronisch überlastet. 190 Plätze hat die Einrichtung, allein in der ersten August-Hälfte aber schliefen dort jeden Tag im Schnitt 206 Menschen - in einem Monat, der warm und vergleichsweise trocken ist.

Ulrich Hermannes, Geschäftsführer der Stadtmission, spricht von einer "Zuspitzung der Lage". Der Bezirkliche Ordnungsdienst Altona bestätigt den Eindruck, auch die sozialen Beratungsstellen im Bezirk Mitte registrieren einen stärkeren Zulauf. Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer von der Obdachlosenzeitung "Hinz & Kunzt" sagt: "Alle Einrichtungen verzeichnen einen Anstieg. Besonders am Hauptbahnhof ist die Entwicklung sichtbar."

+++ Gefangen im Teufelskreis +++

+++ Alarmzeichen +++

+++ Ansturm auf Hamburg - Stadt braucht noch mehr Wohnungen +++

Offiziell sind in Hamburg rund 5400 Menschen mit Wohnberechtigung ohne feste Bleibe, nach einer empirischen Untersuchung aus dem Jahr 2009 leben davon 1029 auf der Straße. Aktuelle Zahlen gibt es nicht, doch nach Einschätzung zuständiger Stellen ist die Dunkelziffer hoch. Die öffentlichen Unterkünfte sind als befristete Zwischenlösung für die Obdachlosen gedacht. Höchstens drei Monate sollen sie dort leben und dann in Wohnungen vermittelt werden. 63 Prozent der Bewohner, heißt es in einem Konzeptentwurf zur Wohnungslosenhilfe der Stadt, bleiben aber inzwischen länger als ein Jahr: Der "Abfluss" in Wohnungen funktioniert nicht mehr, weil Wohnraum fehlt.

"Wenn sogar das Pik As überlastet ist, sagt das schon einiges aus", sagt Peter Ogon, Fachbereichsleiter Existenzsicherung beim Diakonischen Werk Hamburg. Die Zustände in der Übernachtungsstätte sind berüchtigt. "Viele Obdachlose schlafen da lieber draußen", sagt Ogon. Vor allem bei Jugendlichen und Frauen sei auch verdeckte Obdachlosigkeit verbreitet - sie übernachten in Kellern oder bei Freunden und fallen kaum als Obdachlose auf.

Bis zu 500 zusätzliche Unterkunftsmöglichkeiten für Obdachlose und Zuwanderer will die Stadt in naher Zukunft schaffen und droht dabei stets auf Widerstand der Bürger zu stoßen. In Neuland verzögerte ein Bürgerbegehren eine geplante Großunterkunft an der Straße Lewenwerder. Sie öffnet nun erst 2013. Weitere große Unterkünfte sind etwa am Curslacker Neuen Deich und am Poppenbütteler Weg geplant. "Massenunterkünfte sind nicht das, was wir wollen", sagt Ogon. "Aber bei dem angespannten Wohnungsmarkt geht es im Moment nicht anders."

+++ Mietenspiegel +++

Die Stadt arbeitet derzeit daran, die Hilfsangebote zu verbessern. Außerdem versucht sie verstärkt, Wohnungsunternehmen in die Pflicht zu nehmen. Seit 2005 hat sie mit zehn Genossenschaften und der Saga GWG Kooperationsverträge geschlossen, in denen sich diese verpflichten, pro Jahr eine bestimmte Zahl an Wohnungen zusätzlich an Wohnungslose zu vermitteln. Danach sind statt knapp 700 nun rund 1200 Wohnverhältnisse pro Jahr anvisiert. 2011 wurden zwar nur 786 Wohnungen auf diesem Weg vermittelt, möglichst bald aber, verspricht die Sozialbehörde, soll die Quote erfüllt werden. Verhandlungen mit weiteren Genossenschaften und auch anderen Wohnungsunternehmen liefen.