Wer sein Konto überzieht, zahlt in Hamburg durchschnittlich zwölf Prozent – obwohl die Institute selbst immer günstiger Geld bekommen.

Hamburg. Das Ende des Urlaubs kündigt sich bei vielen auch auf dem Kontoauszug an: Ebbe in der Kasse. Mehr ausgegeben als geplant ist dank des Dispokredits kein Problem. Immerhin verfügen 80 Prozent der Hamburger über einen solchen Kreditrahmen, der ihnen die Überziehung des Gehaltskontos ermöglicht. Jeder Dritte macht davon Gebrauch, ergab eine aktuelle Studie des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen (IFF).

+++++Kommentar: Dreistigkeiten mit dem Dispo+++++

Für diese Form der Finanzierung finden die Banken viele gute Argumente. Zum Beispiel für zusätzliche Ausgaben im Urlaub oder überraschende Reparaturen, wie die Deutsche Bank auf ihrer Internetseite wirbt. Den Zins dafür sucht man allerdings vergebens. Das hat seinen Grund. Denn werbewirksam sind die wenigstens Konditionen, obwohl die Zinsen am Markt ein historisches Tief erreicht haben. Billiges Geld gibt es von der Europäischen Zentralbank (EZB) für die Bank, aber nicht deren Kunden.

Im Schnitt müssen in Hamburg für die Kontoüberziehung bei Filialbanken zwölf Prozent Zinsen bezahlt werden, ergab eine Umfrage des Abendblatts. Wer seinen eingeräumten Kreditrahmen überschreitet, muss sogar 16 Prozent Zinsen bezahlen. Verglichen mit den Konditionen vor knapp zwei Jahren gibt es für die Verbraucher kaum eine Erleichterung. Damals mussten sie im Schnitt 12,26 Prozent bezahlen. "Das Zinsniveau ist nicht gerechtfertigt, denn die Refinanzierungskosten der Banken am Geldmarkt haben sich in jüngster Zeit erheblich reduziert", sagt Achim Tiffe, Direktor des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen.

+++++Dispozinsen: Wer überzieht, zahlt kräftig drauf+++++

+++++Streit über happige Dispozinsen – Obergrenzen gefordert+++++

Von 19 befragten Instituten haben lediglich drei seit der letzten Zinssenkung der EZB ihre Konditionen ermäßigt. Die Zentralbank hatte ihren Leitzins auf 0,75 Prozent gesenkt. Die Sparkasse Holstein, die Sparda-Bank Hamburg und die Targobank verweisen darauf, bereits im Vorfeld ihre Dispozinsen gesenkt zu haben. Hamburger Sparkasse und Postbank kündigten jetzt Zinssenkungen zum 15. August an. "Wir werden den Disposatz auf 11,81 Prozent ermäßigen", sagt Marcus-Andree Schoene von der Haspa.

Dass Banken die Senkung der Überziehungszinsen nur zögerlich angehen, bestätigt auch Max Herbst von der FMH-Finanzberatung. "Bislang wurden für zehn von 45 Girokonten die Dispozinsen gesenkt." Viele Institute verweisen darauf, dass ihr Zinssatz nicht an den EZB-Leitzins gekoppelt ist. Vor einigen Jahren wurden Referenzzinssätze eingeführt, um die Konditionengestaltung nicht allein dem Ermessen der Banken zu überlassen.

+++++Westdeutsche überziehen ihr Girokonto häufiger+++++

+++++Die wichtigsten Fakten zum Dispokredit+++++

Die meisten Geldinstitute haben sich für den Drei-Monats-Euribor entschieden. Das ist ein Zinssatz zu dem sich die Banken untereinander Geld leihen. In diesem Fall für drei Monate. Im Oktober 2010 lag der Satz bei 0,98 Prozent. Inzwischen ist er auf 0,37 Prozent gesunken. Doch diese Entwicklung spüren Kunden nicht. So verlangt die Haspa jetzt sogar einen leicht höheren Zins als damals (12,10 Prozent). Berücksichtigt man die angekündigte Zinssenkung, so wird nur etwa die Hälfte der Zinsermäßigung des Euribor weitergegeben. Noch schlechter sieht es bei der HypoVereinsbank aus, die jetzt 11,80 Prozent verlangt und im Oktober 2010 nur 11,65 Prozent kassierte. Immerhin räumt ein Sprecher der Bank ein, dass eine Zinssenkung nicht ausgeschlossen sei. "Die Banken mit Euribor als Referenzwert können sich bis zum Ende des Quartals Zeit lassen", sagt Herbst.

Geradezu in Stein gemeißelt ist der Dispo mit 13,24 Prozent seit 2009 bei der Commerzbank, obwohl auch deren Referenzsatz deutlich gesunken ist. "Bestandskunden erhalten individuelle Konditionen", sagt eine Sprecherin.

"Die Zinsanpassungsklauseln müssen für den Kunden ohne großen Aufwand nachvollziehbar sein, sonst sind sie intransparent", sagt Tiffe. Doch das ist bisher nur beim EZB-Leitzins als Referenzzins ersichtlich. So lässt sich die Zinssenkung bei der Deutschen Bank leicht nachvollziehen. Nach der Studie des IFF ist jede zweite untersuchte Klausel unwirksam. Das Problem ist, dass kaum ein Verbraucher gegen seine Bank wegen der Dispozinsen klagt. Kunden sollten mit Verweis auf den gesunkenen Referenzzins eine Neuberechnung verlangen, wenn sich ihre Konditionen bisher kaum ermäßigt haben, rät Tiffe. Hilfestellung gibt es bei der Verbraucherzentrale Hamburg.

Viele Verbraucherschützer wollen eine Deckelung des Zinssatzes durchsetzen. "Diese Gewinnmaximierung zulasten von Verbrauchern muss ein Ende haben", sagt Gerd Billen, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. Solche festen Obergrenzen gibt es bereits in den Niederlanden (16 Prozent) und der Schweiz (15 Prozent). Doch davon hält Tiffe nichts. "Das würde nur dazu führen, dass diese statische Obergrenze ausgereizt würde." Er plädiert für die Anwendung einer Wuchergrenze, die sich aus den Konditionen für Konsumentenkredite ergibt, die deutlich preiswerter als der Dispo sind. "Unter dieser Annahme liegt die Obergrenze bei 12,38 Prozent, also dem verdoppelten Durchschnittszinssatz von 6,19 Prozent", erläutert Tiffe.

Gleichzeitig regt er an, die Werbung für Girokonten mit dem Zinssatz für den Dispo zu koppeln. "Das könnte der Gesetzgeber vorschreiben", sagt Tiffe. Denn bisher spielen diese Konditionen bei der Auswahl eines Kontos kaum eine Rolle. Dann müsste die Commerzbank ihre Werbung für das kostenlose Girokonto mit dem Disposatz von 13,24 Prozent versehen. Bisher wirbt nur die Sparkasse Holstein mit ihrem Dispozins von 6,24 Prozent. "Das ist die günstigste Kondition unter den Filialbanken in Deutschland", sagt eine Sprecherin. Doch neben Neukunden können davon im Bestand nur ein Drittel der Kunden profitieren. In der Spitze ist es für Kunden genauso teuer wie bei der Commerzbank. "Besser sind einheitliche Konditionen, die unter dem Durchschnitt liegen und für alle Kunden gelten", sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg. Mitunter hilft aber auch Verhandeln mit der Bank. "Ich habe diesen Zins eingefordert und auch sofort bekommen", sagt Peter Z. aus Glinde, langjähriger Kunde der Sparkasse Holstein.