“Titel gegen Geld“ ist offenbar gängige Praxis. Die UKE-Professorin und Ombudsfrau Ulrike Beisiegel fordert eine Änderung des Systems.

Hamburg. Wegen der Ermittlungen gegen mindestens 100 Professoren, die unter Korruptionsverdacht stehen, werden Forderungen nach Konsequenzen laut. "Es stellt sich in aller Schärfe jetzt die Frage, was wir am System ändern müssen, damit Nachwuchswissenschaftler auf ehrliche Art und Weise ihre Qualifikation erwerben können", sagte UKE-Professorin Ulrike Beisiegel, Sprecherin des Ombudsgremiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Diesem Gremium können ohne Namensnennungen Unregelmäßigkeiten bei wissenschaftlichen Arbeiten genannt werden. Das Ermittlungsverfahren der Kölner Staatsanwaltschaft überrasche sie nicht, "weil Wissenschaft immer häufiger zur Ware wird. Aber es ist schon erschütternd, dass so viele Wissenschaftler involviert zu sein scheinen."

Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt auch an der Universität Hamburg. Der Vorwurf lautet, Doktoranden gegen Schmiergelder angenommen zu haben, so der Kölner Oberstaatsanwalt Günther Feld. "Im Rahmen der bundesweiten Ermittlungen an unterschiedlichen Hochschulen hat die Staatsanwaltschaft Köln auch uns vor einigen Wochen um Unterstützung gebeten", sagte Professorin Gabriele Löschper, amtierende Präsidentin der Universität Hamburg, dem Abendblatt.

In jedem Fall müssen die Ermittlungen alles zutage fördern, "was falsch gelaufen ist", sagte Professor Albrecht Wagner, Vorsitzender des Hochschulrats der Uni Hamburg, dem Abendblatt. "Kein Hochschullehrer darf sich kaufen lassen." Prof. Löschper betonte, dass es ihr ein großes Anliegen sei, dass wissenschaftliche Abschlüsse in einem korrekten Verfahren erlangt werden. "Der ermittelnden Behörde gewährten wir daher gern Akteneinsicht." Die Technische Universität Hamburg-Harburg (TUHH) geht nicht davon aus, dass Professoren aus ihren Reihen betroffen sind. "Wer an der TUHH promoviert, durchläuft ein Verfahren, an dem mehrere Gutachter und weitere Personen beteiligt sind, sodass die Wahrscheinlichkeit eines Betrugs gegen null geht", kommentierte TU-Sprecherin Jutta Werner. Ob auch weitere Hamburger Hochschulen, an denen Promotionen abgelegt werden können, betroffen sind, ist noch unklar. Die Hochschulen waren gestern nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) fürchtet, sollte der Verdacht der Ermittler sich bestätigen, dass der Wissenschaft ein großer Schaden entstände. Solches Verhalten würde die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft zutiefst diskreditieren.

"Wir haben nach der Razzia eine Unmenge an Material ausgewertet", sagt Oberstaatsanwalt Feld. "Dabei hat sich der konkrete Verdacht gegen die jetzt Beschuldigten ergeben." Bei ihnen handelt es sich um Wissenschaftler unterschiedlichster Fachrichtungen. Die meisten Verdächtigen seien keine sogenannten ordentlichen Professoren, sondern Aushilfsprofessoren oder Privatdozenten. Sie sollen ihre Dienstpflichten verletzt haben, wonach sie Doktoranden unentgeltlich betreuen müssen. Außerdem sei vielleicht die freie Auswahl der Promotionsstudenten durch die Geldzahlungen beeinträchtigt worden.

Das "Institut für Wissenschaftsberatung" in Bergisch Gladbach hatte bundesweit mit Anzeigen in Zeitungen und Fachzeitschriften für die Vermittlung von Doktortiteln geworben. Den Promotionswilligen wurde versprochen, einen geeigneten Professor zu suchen und bei der Themenfindung behilflich zu sein. Dafür mussten die Kandidaten jeweils bis zu 20 000 Euro an das Institut zahlen. Für die Übernahme eines Promotionskandidaten sollen bis zu 4000 Euro illegal vom Institut an die Professoren geflossen sein. Gegen die Doktoranden wird nicht ermittelt.

Es werde noch einige Zeit dauern, bis die zahlreichen Ermittlungsverfahren in diesem Fall abgeschlossen sind, betonte Feld. Erst dann könne entschieden werden, ob das Verfahren eingestellt, ein Strafbefehl erstellt oder eine Anklage erhoben wird.