In der Hafenverwaltung Hamburg Port Authority arbeiten Ingenieure an Plänen, um der Elbe wieder zusätzliche Buchten und Nebenarme zu graben.

Hamburg. Nebenflüsse verlanden, die Strömung wird immer rasanter, und der Hamburger Hafen muss durch die zunehmende Verschlickung mit immer größerem Aufwand ausgebaggert werden: Die Folgen von Deichbauten und Vertiefungen an der Elbe machen Planer seit einigen Jahren schon Sorgen. Zumal sie sich durch den Klimawandel noch verschärfen könnten.

Nun soll die Entwicklung umgekehrt werden, In der Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) arbeiten Ingenieure an vielen Plänen, um der Elbe in den kommenden Jahrzehnten wieder zusätzliche Buchten und Nebenarme zu graben. Neuer Flutraum, so die Überlegung, könnten Strömung und Verschlickung im Strom wieder dämpfen. Schon im nächsten Jahr soll dazu jetzt ein erstes Pilotprojekt starten: An der Norderelbe im Bereich Kreetsand wird eine neue Bucht entstehen, die auch bei Niedrigwasser noch unter Wasser steht. Rund 47 Hektar ist die Fläche groß, der Wasseranteil immerhin 30 Hektar und damit nahezu doppelt so groß wie die Binnenalster. 2013 soll sie fertig sein. Ein neuer Naturraum mit sandigen Ufern, den auch die Menschen als Ausflugsziel nutzen sollen, sagt HPA-Tideelbe-Experte Heinz Glindemann. Etwa 36 Millionen Euro wird die neue Bucht kosten.

Den Effekt haben HPA-Ingenieure und Wasserbauexperten schon ausgerechnet: Etwa zwei, drei Zentimeter würde sich der Tidenhub in Hamburg dadurch verringern. Nicht viel angesichts der gewaltigen Veränderungen in den vergangenen Jahrzehnten. "Aber ein erster Schritt, ein Zeichen für den Wertewandel, den wir im Verhältnis zu der Elbe anstreben", so Glindemann.

Tatsächlich dürften die Planer vor einer Mammutaufgabe stehen, wollen sie die Folgen der menschlichen Eingriffe wieder zurückdrehen: 1870 lag der Unterschied zwischen Niedrig- und Hochwasser, der Tidehub, in Hamburg bei 1,50 Metern. 1950 betrug der Hub zwei Meter. Jüngste Messungen zeigen, dass er heute bereits bei 3,60 Metern liegt. Wobei die Auswirkungen auf das Niedrigwaser gravierender sind als auf das Hochwasser. Mit anderen Worten; bei Niedrigwasser ist der Wasserstand heute gut einen Meter niedriger als 1950. Bei Hochwasser liegt der Pegelstand indes etwa 40 Zentimeter höher als vor 59 Jahren.

Die Folge: Das Gefälle zwischen Hochwasser bei Cuxhaven und gleichzeitigem Niedrigwasser in Hamburg ist größer geworden. "Der Flutstrom rauscht nur so zu uns hinein und schwemmt die ganzen Sedimente mit", so Glindemann. 60 Millionen Euro zahlt Hamburg inzwischen jährlich für das Ausbaggern von Elbe und Hafen in seinem Staatsgebiet.

Langfristiges Ziel der HPA-Planer ist es daher, den Tidenhub in den kommenden Jahrzehnten um rund 80 Zentimeter zu verringern. Jährlich sollen dazu etwa 16 Millionen Euro investiert werden. Die Bucht bei Kreetsand ist dazu der Anfang: Konkret werden zurzeit auch andere Flächen untersucht: so zum Beispiel eine Verbindung zwischen Süderelbe und Neuländer Baggersee. Im Mündungsbereich der Dove Elbe sollen ebenfalls große Landflächen zu Wasserflächen umgewandelt werden. Einbezogen in die Untersuchungen ist auch eine Verbindung zwischen dem Tidekanal und einem Kiessee in der Nähe von Moorfleet. Weitere Überlegungen gehen dahin, auch die nach der Sturmflut von 1962 abgesperrte Süderelbe wieder mit dem Flusssystem der Tideelbe zu verbinden. Auch im weiteren Verlauf der Elbe in Richtung Mündung müssten neue Fluträume entstehen, sagt Glindemann. "Aber das wird eine Jahrhundertaufgabe sein, die wir jetzt hier in Hamburg beginnen wollen."