Der renommierte Bildungsforscher Prof. Klaus Klemm schlägt Alarm: Hamburg droht schon in wenigen Jahren ein gravierender Lehrermangel. In den anderen norddeutschen Ländern sei die Lage nur ein wenig besser.

Klemm kommt in einer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass in Hamburg bis 2015 jährlich zwischen 200 und 300 Nachwuchslehrer mehr benötigt werden als derzeit ausgebildet werden. "Der Kampf gerade um Lehrer in Mangelfächern wird dramatisch werden", sagt Klemm voraus. Dabei werde es vor allem um Gehaltsunterschiede gehen. "Die reichen Länder räumen bei den ärmeren Ländern ab", sagt der Bildungsforscher. Schon jetzt bietet Hamburg einen Startvorteil für den pädagogischen Nachwuchs. Lehrer an Grund-, Haupt- und Realschulen bekommen das gleiche Einstiegsgehalt wie ihre Kollegen an Gymnasien.

Zwei Faktoren machen die Lage in Hamburg prekärer als bei den norddeutschen Nachbarn. Laut Bevölkerungsprognose wird die Schülerzahl in Hamburg am wenigsten sinken. Bis zum Jahr 2020/21 wird lediglich mit einem Rückgang um 6,5 Prozent gerechnet. Zum Vergleich: Schleswig-Holstein minus 20,8 Prozent, Niedersachsen minus 16,3 Prozent, Mecklenburg-Vorpommern minus 15,9 Prozent und Bremen minus 9,4 Prozent. Laut Klemm wird die "demografische Rendite" - also Einsparungen beim Lehrerstellenplan durch geringeren Bedarf - in Hamburg kaum anfallen.

Zweitens hat Hamburg zusammen mit Bremen das höchste Durchschnittsalter der Lehrer. Gut 40 Prozent der Schulpädagogen sind 55 Jahre alt und älter. Bis 2015 würde die Zahl der Lehrkräfte von 15 999 auf 8801, bis 2020 auf nur noch 6396 sinken, wenn keine neuen Lehrer eingestellt würden. Mit anderen Worten: Bis 2020 werden 60,1 Prozent der Lehrer pensioniert. In Mecklenburg-Vorpommern liegt die Pensionierungsquote bei 43,4 Prozent, in Schleswig-Holstein bei 46,3 Prozent.

Klemm hat zwei Varianten durchgerechnet: Wenn der aktuelle Stellenbestand gehalten werden soll, müssen bis 2015 pro Jahr 899 Lehrer neu eingestellt werden. Bei sinkenden Schülerzahlen gäbe es dann Spielraum für pädagogische Verbesserungen wie kleinere Klassen oder den Ausbau der Ganztagspädagogik. Die zweite Variante nutzt die "demografische Rendite", folgt also der Logik "weniger Schüler - weniger Lehrer". In diesem Fall müssten jährlich 786 Lehrer neu in den Schuldienst übernommen werden.

Tatsächlich werden in Zukunft aber nur 670 Lehramtsstudenten pro Jahr ihr Studium abschließen. "Rund 90 Prozent wollen erfahrungsgemäß ins Referendariat", sagt Klemm. Das heißt also, dass rund 600 Junglehrer einem Bedarf von 780 bis 900 Lehrern gegenüberstehen.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), in deren Auftrag Klemm die Studie erstellt hat, fordert, dass "mindestens 1000 Lehrer jährlich neu eingestellt werden müssen, um den Personalrückgang auszugleichen", sagt der GEW-Vorsitzende Klaus Bullan.

Die Reaktion der Schulbehörde fiel bemerkenswert gelassen aus. "Wir sehen, dass es bundesweit zu einem Problem werden könnte", sagte Behördensprecherin Brigitte Köhnlein. "Wir bilden so viele Lehrer aus, wie wir brauchen, und können kurzfristig auf gestiegenen Bedarf reagieren." Probleme in Mangelfächern wie Physik ließen sich jedoch nicht durch höhere Referendarszahlen lösen, weil die Bewerber fehlten.