Senator Rabe kündigt lnvestitionsprogramm bis 2019 an. Jährlich sollen für Schulbau zwischen 260 und 300 Millionen Euro zur Verfügung stehen.

Hamburg. Dass viele der rund 3200 Gebäude der mehr als 400 staatlichen Schulen in einem beklagenswerten Zustand sind, zählt zu den gesicherten Erkenntnissen nicht nur bei Eltern, Lehrern und Schülern. Der Senat schätzt den Sanierungsstau bei allgemeinbildenden und Berufsschulen auf rund drei Milliarden Euro.

Auch Schulsenator Ties Rabe (SPD) hatte nach seinem Amtsantritt im März 2011 - wie seine Vorgänger - den Schulbau und die Sanierung maroder Schulgebäude zu einem seiner Schwerpunkte erklärt. Umso erstaunlicher ist, was der Senat jetzt in seiner Antwort auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Robert Heinemann mitgeteilt hat: Danach sind für die Sanierung von Schulgebäuden im Jahr 2011 nur 61,9 Millionen Euro ausgegeben worden, obwohl 96,7 Millionen Euro im Haushalt bereitstanden - also 36 Prozent weniger als vorgesehen.

"Der Senat hat bei den Schulsanierungen massiv auf die Bremse getreten", kritisierte Heinemann. Noch 2010, im Jahr vor dem Regierungswechsel, habe der damalige schwarz-grüne Senat 81,2 Millionen Euro in die Verbesserung der Bausubstanz investiert.

Als Begründung für die geringere Ausschöpfung des Geldes nennt der Senat die "grundsätzliche Neu-Priorisierung von Baumaßnahmen". Dahinter stehen im Wesentlichen zwei Aspekte: Zum einen wächst der Bedarf an Schulräumen wegen der Verkleinerung der Klassen vor allem an den Grundschulen und der nach wie vor wachsenden Schülerzahlen. Zweitens baut der SPD-Senat die Ganztagsschulen massiv aus. Die Folge: Mehr Schulen benötigen Kantinen und Essensräume.

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CDU-Politiker Heinemann reagierte skeptisch auf die Erläuterungen des Senats. "Ich halte das für ein Ablenkungsmanöver. Da werden viele Nebelkerzen geworfen", sagte der Schulexperte. Er hat den Verdacht, dass Rabe das eingesparte Geld für die Sanierung seines Haushalts einsetzt. Der nicht ausgegebene Betrag von 34,8 Millionen Euro entspricht in etwa der globalen Minderausgabe in Höhe von 35,8 Millionen Euro, die die Schulbehörde 2011 erwirtschaften musste. "An Zufälle mag ich hier nicht glauben", sagte Heinemann. "Rabe nutzt den Schulbau als Steinbruch zur Finanzierung seiner Einsparverpflichtungen."

Diesen Vorwurf wies Behördensprecher Peter Albrecht energisch zurück. "Das Geld geht dem Schulbau nicht verloren und kann in den kommenden Jahren genutzt werden", sagte Albrecht. Und er machte eine Gegenrechnung auf: Die Gesamtausgaben für Neu-, Um- und Erweiterungsbauten sowie Sanierungen seien sogar gestiegen: von 122 Millionen Euro 2010 auf 131 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Tatsächlich liegt das Problem wohl weniger am fehlenden politischen Willen als vielmehr an dessen ineffizienter Umsetzung. Das vom schwarz-grünen Senat gegründete Sondervermögen Schulbau Hamburg mit mehreren Hundert Mitarbeitern hat bislang offensichtlich nicht für die dringend benötigte Beschleunigung bei der Sanierung von Schulgebäuden sorgen können. "Im Kern handelt es sich um ein logistisches Problem bei Schulbau Hamburg", sagte Behördensprecher Albrecht. Intern hatte auch Rabe heftig Kritik am zu zögerlichen Vorgehen von Schulbau Hamburg geübt.

Rabe und Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) haben bereits reagiert. Ende Juni wurde der Schulbau Hamburg-Geschäftsführer von seinem Posten abberufen. Damit der gesamte Schulbau in Zukunft effizienter und kostengünstiger wird, wurde das Sondervermögen in zwei Gesellschaften aufgespalten. Außerdem wurde das städtische Bauunternehmen GWG Gewerbe ins Boot geholt, das Erfahrung im Schulbau hat.

Und Rabe will auch die finanziellen Anstrengungen des Senats deutlich steigern. "Es ist vereinbart, dass wir von 2013 bis 2019 ein Ausbauprogramm an den Schulen starten werden, das ein Finanzvolumen von rund zwei Milliarden Euro für die Sanierung, die Instandhaltung, insbesondere aber auch den Ausbau und die Erweiterung von Schulen umfasst", sagt der Schulsenator im Interview mit der "Welt".

Jährlich sollen für den gesamten Schulbau zwischen 260 und 300 Millionen Euro zur Verfügung stehen. "Ein derartiges Volumen hat es in der Vergangenheit noch nie gegeben", sagte Rabe. Nach Angaben der Schulbehörde lagen die Gesamtausgaben noch bis 2009 unter 100 Millionen Euro. Nach Informationen des Abendblatts sollen die Investitionen in Höhe von zwei Milliarden Euro je zur Hälfte für Sanierungen sowie für Neu- und Erweiterungsbauten ausgegeben werden.

Bis Ende September will Rabe nun die lang erwartete Prioritätenliste der Schulen für die Bereiche Sanierung und Neubau vorlegen. Neben dem Gebäudezustand spielt dabei auch der Schulentwicklungsplan eine zentrale Rolle, in dem die Raumbedarfe der einzelnen Standorte anhand der prognostizierten Schülerzahlen festgeschrieben sind.

Wenn Rabe heute die Rahmendaten für das neue Schuljahr vorlegt, dann geht es auch darum, dass rund 10.000 Kinder in Schulcontainern unterrichtet werden. Verantwortlich dafür sind neben der Verkleinerung der Klassen auch der Zulauf von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen sowie die Abschaffung von Haupt-, Real- und Gesamtschulen zugunsten der Stadtteilschule.