CDU- und SPD-Politiker sind für Bleiberecht der Schülerin. Betreuer der armenischen Familie klagt: “Die Stadt hält uns seit Monaten hin“.

Hamburg. Claus Engelhardt gibt sich keine Mühe, seinen Unmut über das Verhalten der Stadt Hamburg zu verstecken. "Die Ausländerbehörde will Familie Sarkissian systematisch aushungern lassen. Das ist zutiefst unmenschlich", sagt er. "Die Stadt hält uns seit Monaten hin", sagt der Hamburger, der die armenische Familie betreut. Die Ausländerbehörde drohe Melania, 17, Anna, 11, und Mutter Armine, 43, noch immer mit der Abschiebung. Und obwohl sich im April dieses Jahres Politiker wie der CDU-Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg und der Vorsitzende der Härtefallkommission, Sören Schumacher (SPD), für ein Bleiberecht ausgesprochen hatten, geht es in diesem Fall nicht voran. Vor allem, weil die Ausländerbehörde auf Zeit spiele, wie Betreuer Claus Engelhardt sagt. Und weil sich die Politik nicht mehr zuständig fühle. Seit März seien sämtliche Zahlungen eingestellt. Die Familie lebe von Spenden, Mutter und Töchtern gehe es schlecht.

Zur Vorgeschichte: Seit 13 Jahren lebt Familie Sarkissian geduldet in Hamburg. Anna ist hier geboren, Melania arbeitet aufs Abitur hin, beide Mädchen besuchen seit der ersten Klasse Hamburger Schulen. An ihrer jetzigen Schule, der Heinrich-Hertz-Schule, gelten sie als gut integriert. Dennoch drohte die Ausländerbehörde im Januar dieses Jahres mit der Abschiebung nach Armenien. Rechtlich sei das richtig, weil die Familie 1999 illegal eingereist sei. Doch Mitschüler und Lehrer kämpfen für den Verbleib von Melania und Anna. Sie reichten eine Petition beim Eingabenausschuss der Bürgerschaft ein. Allerdings blieb dessen Sitzung ohne Ergebnis. Die Familie war wegen eines vorschnell gestellten Asylantrags in die Zuständigkeit nordrhein-westfälischer Behörden gelangt - und im Umkehrschluss war Hamburg nicht mehr zuständig.

+++ Behörde bleibt im Fall der Familie Sarkissian weiter hart +++

+++ Entscheidung vertagt: Melania muss weiter bangen +++

Die Mitglieder des Ausschusses empfahlen der Familie daraufhin, einen Antrag auf Umverteilung zurück nach Hamburg zu stellen. Zudem solle die Familie bei Fragen zu ihrer Identität kooperieren. Das sei laut Ausländerbehörde vorher nicht passiert. Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt seien, könne der Fall weiter beraten werden, die Ausländerbehörde ein Bleiberecht wohlwollend prüfen.

Doch seit April herrscht Stillstand. Stefan Knief, der Anwalt der Familie, reichte den notwendigen Umverteilungsantrag vor Monaten ein, die Familie war in der armenischen Botschaft in Berlin, um ihre Identität dokumentieren zu lassen. Doch in der Behörde passierte: nichts. "Nicht einmal der Umverteilungsantrag ist behandelt worden. Es gab keine Reaktion. Dort sitzt man das Problem aus", sagt Claus Engelhardt, der die Sarkissians seit der Abschiebeandrohung begleitet. Für die Familie bedeute dies: Ungewissheit, Geldknappheit, dauernde Sorge. "In der Behörde hofft man, dass Anna, Melania und ihre Mutter aufgeben."

Am Montag nun hat Rechtsanwalt Stefan Knief per Fax das vorerst letzte Mal um einen Fortgang des Verfahrens gebeten. Darin heißt es, seine Mandanten seien ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen. Doch weil die Familie nicht in Armenien gelebt habe, habe die armenische Botschaft in Berlin auch keine Pässe ausstellen können. Dennoch habe der armenische Staat in sogenannten Passersatzpapieren die Identität der Sarkissians hinreichend dokumentiert. "Somit ist davon auszugehen, dass es sich bei meinen Mandaten um die Familie Martirosian (Mädchenname der Mutter)/Sarkissian handelt", schreibt der Anwalt. Die Voraussetzung dafür, das Verfahren zurück nach Hamburg zu holen, sei erfüllt.

Doch Norbert Smekal, Sprecher der Ausländerbehörde, zweifelt weiter am Wahrheitsgehalt. Zum aktuellen Schreiben sagt er, die Behörde müsse nun - nach viermonatigem Stillstand - erst einmal die Sach- und Rechtslage prüfen. Weiter wolle er sich vorerst nicht äußern. Auch nicht dazu, ob und wann der Fall zurück nach Hamburg geholt werde. Vorher kann allerdings auch nicht Paragraf 25a des Aufenthaltsgesetzes greifen: Die Regelung, die Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) in der Vergangenheit befürwortet hatte, soll gut integrierten, geduldeten ausländischen Jugendlichen eine Perspektive bieten. Demnach darf in Deutschland bleiben, wer u. a. älter als 15 Jahre ist und mehr als sechs Jahre eine hiesige Schule besucht hat - wie Melania.

Für Rechtsanwalt Knief ist ein weiterer Fakt erstaunlich: So habe ein Familienmitglied, Armine Sarkissians Schwester, bei gleichem Verfolgungsschicksal problemlos ein Bleiberecht von einer Hamburger Behörde erhalten. Insofern sei "nicht einsichtig", warum die Prüfung seiner Mandanten durch die Ausländerbehörde zu einem anderen Ergebnis führen sollte.

Dazu heißt es in der Ausländerbehörde: "Dass durch die Ausländerdienststelle des zuständigen Bezirksamtes ein Reiseausweis für Staatenlose erteilt wurde, möchten wir an dieser Stelle nicht kommentieren. Es handelt sich um eigenständige Organisationseinheiten, die nicht verpflichtet sind, ihre Entscheidungen mit der Behörde für Inneres und Sport abzustimmen. Wir nehmen gegenwärtig nur zur Kenntnis, dass so entschieden wurde."

"Das macht die Situation noch absurder", sagt Claus Engelhardt. Einem Familienmitglied werde ein Bleiberecht ausgesprochen, den restlichen Angehörigen nicht. Und das, obwohl es noch im April hieß: Die Ausländerbehörde Hamburg wolle ein Bleiberecht wohlwollend prüfen. Die Familie habe ihre Hausaufgaben gemacht. "Doch anscheinend sollen Sarkissians mürbe gemacht werden, damit sich das Problem von allein erledigt", sagt Claus Engelhardt.