Eine Foto-Expedition mit Boot und gelegtem Mast zu den versteckten Plätzen zwischen Norder- und Süderelbe. Manche Nische ist zu entdecken.

Die Kreuzfahrt-Terminals, die Landungsbrücken - sie stehen meist im Fokus, wenn es um den Hafen geht, eines der meistbesuchten Touristenziele des Landes. Jenseits der herausgeputzten Passagierschiffanleger und modernen Kaianlagen bietet der gut 7000 Hektar große Hafen aber auch ein weit verzweigtes Netz aus kleinen Kanälen und Hafenbecken. Manche Nische ist dort zu entdecken, vieles wird verschwinden, zugeschüttet, neu angelegt, wie der neue Hafenentwicklungsplan des Senats vorgibt. Aber es gibt sie noch, die versteckten Ecken - den Hinterhof des Hafens.

Startpunkt unserer Expedition ist der Steendiekkanal in Finkenwerder, ein langes, schmales Hafenbecken, das bis Anfang der 1970er-Jahre zur Deutschen Werft gehörte. Heute werden im nahen Airbuswerk Flieger zusammengeschraubt, Zulieferbetriebe siedeln auf altem Werftgelände. Und der Steendiekkanal ist ein Refugium für Fischkutter, alte Fähren oder auch Segelboote geworden. Wir fahren von hier in den Hauptstrom, um gleich wieder nach rechts in den Köhlfleet einzubiegen. Dieser frühere Mündungsarm der Süderelbe führt tief in den Ortskern Finkenwerder. Ganz am Ende liegen das Alu- und das Stahlwerk Hamburgs am östlichen Ufer.

Am Westufer haben etliche Binnenschiffe festgemacht. Die fast 70 Meter lange MS "Lobenstein" gleitet heran, von Deck winken Ines Tietze und Ingo Weber. Nur kurz festmachen wollen sie hier, um eine Ladung Drahtrollen vom Stahlwerk zu übernehmen, die sie dann nach Salzgitter schippern sollen.

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Wir schippern auch weiter. Ziel ist zunächst der Walterhofer Hafen; dort, am Burchardkai wurde 1968 das erste Vollcontainerschiff in Hamburg abgefertigt, heute kommen gut 97 Prozent aller Seefrachtgüter in der Hansestadt in diesen Universalboxen an. Die größten Containerschiffe machen hier in diesem Hafenbecken fest, 13.000 und mehr Container können sie transportieren.

Mit dem gelegten Mast fahren wir ganz am Ende unter einer Brücke hindurch in den kleinen Rugenberger Hafen - das wohl lauteste Hafenbecken Hamburgs: eingekreist von der A 7 kurz vorm Elbtunnel und der Köhlbrand-brücke. Ein Warteplatz für Schuten - und ein Rückzugsort für Künstler: Gerade die Abgeschiedenheit und der Straßenlärm sorgen hier für ein ungestörtes Dasein. Wir treffen "Boris", einen Fotografen, der mit seinem Selbstbauboot an einer merkwürdigen Konstruktion aus Hausboot, Ponton und Bildhauer-Atelier eines Freundes festgemacht hat. Viel über sich reden will man hier nicht. Solche Lebenskünstlernischen sind bei der Hafenverwaltung nicht gerade willkommen. Und warum sollte man erst die Aufmerksamkeit auf sich ziehen?, fragt Boris.

Wir tuckern weiter durch die automatisch betriebene Rugenberger Schleuse in den Köhlbrand, ebenfalls ein Mündungsarm der Süderelbe; er wurde Anfang des 20. Jahrhunderts um etliche Hundert Meter verlegt, wie so vieles hier im Hafen zwischen Norder- und Süderelbe, der noch vor 100 Jahren eine weit verzweigte Insellandschaft gewesen ist. Geblieben sind nur Namen wie Steinwerder und Finkenwerder. Oder Kattwyk: früher eine Fischer-insel, heute ein Autoterminal gegenüber von Altenwerder, das in den 1990er-Jahren für Europas modernstes Containerterminal abgerissen wurde.

Links geht es in die ferngesteuerte Reiherstiegschleuse hinein. Leise schließt sich das Tor hinter uns, leise öffnet es sich vor uns und gibt den Weg frei in den wohl schönsten Teil des Hafenhinterhofs: Gut sechs Kilometer lang ist der strömungsarme Elbarm. Er scheint direkt auf Michel und Elbphilharmonie zuzuführen. Ein Achter-Ruderboot mit älteren Herren gleitet schnittig durchs Wasser, Hausboote, alte Werften, hin und wieder auch Schilf säumen das Ufer. Und große Frachter neben Binnenschiffen. Am Reiherstieg wird vor allem Getreide verladen. So auf der MS "Christian", einem Binnenschiff mit fast 100 Jahre altem Rumpf. Schipper Christian Vietheer, 29, grüßt, wir legen kurz an. 800 Tonnen lädt er und bringt sie dann nach Rendsburg. Welchen Auftrag er danach bekommt, weiß er noch nicht. So ist das als Binnenschiffer, sagt er und lacht.

Wir fahren weiter - drehen eine Schleife in den Travehafen, der heute ein Sammelbecken für alte Schuten, Yachten und historische Polizeiboote ist. Aber nicht mehr lange: Hier soll in den nächsten Jahren ein komplett neues Terminal gebaut werden. Unsere Tour führt weiter bis in den Spreehafen. Das breite Hafenbecken an der Veddel wurde 1890 als Überwinterungshafen für Binnenschiffe angelegt. Hausboote haben heute hier festgemacht - in einer juristischen Grauzone. Zwar propagierte der Senat 2008 große Träume vom Hausbootcharme - doch in Wahrheit ist das nur mit sehr teuren Luxuskonstruktionen möglich. Dort, wo Hamburger sich ein Stück Amsterdam erlauben, müssen die Bewohner immer damit rechnen, von den Behörden vertrieben zu werden.

Wir fahren weiter, vorbei an verlassenen Fabrikgebäuden auf der Peute bis in die Norderelbe - und wieder zurück. Mal eine andere Tour - jenseits der Glitzerseite des Hafens.