Der Verein Deutsche Sprache und viele Hamburger kritisieren Namensgebungen in der HafenCity. Die Bürger blieben außen vor.

Hamburg. Yokohamastraße statt Alsterchaussee, Magellan-Terrassen statt Hans-Albers-Platz, und nun auch noch eine U-Bahn-Station, die nach Willen des Bürgermeisters Olaf Scholz "Chicago Square" heißen soll: In der HafenCity läuft so einiges anders als im Rest der Hansestadt. Anderswo haben Seeleute, hanseatische Traditionen und Hamburger Schauspieler ihre Namen im Stadtplan hinterlassen. In der HafenCity heißen die Straßen Shanghaiallee und New-Orleans-Straße. Die altgediente Sandtorhafen-Klappbrücke, bis dahin offiziell namenlos, heißt seit Mai dieses Jahres "Mahatma-Gandhi-Brücke". Doch je mehr Straßen und Plätze immer internationaler heißen, desto lauter wird die Kritik.

"Die Namen liegen auf anderen Kontinenten. Wie soll man denn da das Gefühl bekommen, dass das ein Stück Hamburg ist?", sagt Andy Grote, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SPD. Kürzlich erst habe er auf eine Veranstaltung mit Bewohnern und Anliegern gesprochen: "Die sind mächtig genervt. Inzwischen wohnen hier 1800 Menschen. Die sollten mal gefragt werden. Das ist doch kein Reißbrett."

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Anders als in anderen Vierteln hatten in der HafenCity Bezirk und Bürger kaum mitzureden. Eigentlich sind es die Bezirksversammlungen, die Bezeichnungen vorschlagen, auch Anwohner können ihre Wünsche einbringen. Das Staatsarchiv prüft die Vorschläge dann, die "Senatskommission für die Benennung von Verkehrsflächen" unter Vorsitz der Kulturbehörde entscheidet schließlich. Staatsarchiv und Kommission folgen dabei klaren Regeln: Die Namen sollen unter anderem "möglichst kurz, einprägsam, wohlklingend und für den mündlichen und schriftlichen Gebrauch unmissverständlich sein". Sie sollen aber auch "zur Pflege des Heimatgefühls" beitragen. Nicht zulässig sind unter anderem "Benennungen in Fremdsprachen, wenn die Schreibweise zu falscher Aussprache führen kann".

Die Bezirke halten sich meist an diese Regeln. Einzige Ausnahme sind Namen, deren Träger große Bedeutung für die Stadt hatten - wie der NDR-Mitbegründer Hugh Greene, nach dem eine Straße in Eimsbüttel benannt ist.

In der HafenCity läuft es anders. Sie ist direkt der Planungshoheit des Senats untergeordnet. "Das Gebiet der HafenCity wurde dem Bezirk Mitte entwidmet und direkt unter Verantwortung des Senats gestellt", sagt der Sprecher des Bezirksamts Mitte, Lars Schmidt-von Koss. "Wenn sie uns irgendwann zurückgewidmet wird, stehen die Namen schon."

Die Bezeichnungen hat die HafenCity GmbH gemeinsam mit dem Staatsarchiv am grünen Tisch entwickelt, auch sie werden von der Senatskommission beschlossen und müssten eigentlich den Regeln unterliegen. Im Jahr 2005 entschied der Senat jedoch, die neuen Straßen und Plätze des Quartiers nach Motivgruppen zu benennen: Die westlich gelegenen Plätze sollten ihre Namen von Entdeckern erhalten - Vasco da Gama, Magellan, Marco Polo. Auf Anfrage eines Abendblatt-Lesers nach dem Sinn dieser Namen schrieb die damalige Kultursenatorin Karin von Welck, bei der Benennung der Flächen stehe "deren internationale Bedeutung im Mittelpunkt. Der Hamburgbezug spielte hier keine Rolle." Für das nördliche Überseequartier und den östlichen Magdeburger Hafen wurden asiatische Städtenamen vorgesehen: Osaka, Tokio, Hongkong. Fürs südliche Überseequartier schließlich wurden amerikanische Städtenamen gewählt - hier finden sich die San-Francisco-Straße und der Chicagokai.

Als "sprachliche Selbstkolonisierung" bezeichnet der Hamburger Regionalleiter des Vereins Deutsche Sprache, Hans Kaufmann, diese Namensgebung, die weder von hanseatischem Selbstbewusstsein noch von Bürgernähe zeuge. "Namen wie etwa Chicago Square sind völliger Unsinn", sagt er. "Chicago-Platz wäre hinzunehmen, es ist ja die Partnerstadt. Aber 'Square' ist für viele kaum auszusprechen. Man sollte in solchen Dingen die Bürger befragen."

Der Sprecher der Kulturbehörde, Enno Isermann, bestätigt, dass der Einbezug des Bezirks in der Vergangenheit "oft nicht gut" gelaufen sei. Man achte inzwischen aber auf eine bessere Zusammenarbeit. Dennoch: "Die neuen Namen sollten die Internationalität Hamburgs widerspiegeln. Wir glauben, dass man das einer weltoffenen Stadt wie Hamburg gut zumuten kann."

Für die Erweiterung der HafenCity nach Osten müssen nun wieder neue Namen gefunden werden. Auch die "Neue Mitte Altona" soll zumindest teilweise unter Planungshoheit des Senats stehen. Wie die Benennung dort ablaufen wird, ist noch ungeklärt.