An zahlreichen Orten in Hamburg sollen Grünflächen bebaut werden. In Groß Borstel protestierten mehr als 200 Bürger gegen die Planungen.

Groß Borstel. Ein Güterzug rattert vorbei und für einige Momente übertönt er das Gezwitscher der Vögel im Kleingarten an der Kellerbleek. Mit dem Lärm haben sich die Schrebergärtner in der Kleingartenkolonie "Bahn-Landwirtschaft" auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs in Groß Borstel arrangiert; mit den Plänen des Bezirks Nord, hier 750 Wohnungen mit dem klingenden Namen "Tarpenbek Greens" errichten zu lassen, wollen sie sich nicht abfinden. An vielen Lauben hängen Protestplakate: "Kleingärten für Großstadtpflanzen".

Der Bezirk Nord erarbeitet derzeit einen neuen Bebauungsplan, genannt Groß Borstel 25, für das zwölf Hektar große Gebiet, das im Norden von der Tarpenbek begrenzt wird, im Osten von einem weiteren Kleingartenverein und südlich von den Bahngleisen und der Straße Kellerbleek. Das Planungsrecht von 1955 ist überholt, es sieht nur Verkehrsflächen für den Güterbahnhof vor, der bereits 1985 aufgegeben wurde. Seither liegen Teile der Fläche brach.

Dabei hat das Gebiet an der Grenze zu Eppendorf beste Stadtlage. "Es ist die letzte größere zusammenhängende Entwicklungsfläche im Stadtteil", wirbt Jan Freitag, der Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses im Bezirk Nord, bei der öffentlichen Plandiskussion in der Aula der Groß Borsteler Carl-Götze-Schule. Und beschwichtigend fügt er hinzu: "Wir sind noch relativ am Anfang eines Verfahrens. Es ist nicht so, dass morgen gebaut wird."

Doch genau das befürchten die mehr als 200 Leute im überfüllten Saal. Es sind Kleingärtner, Groß Borsteler Bürger, die um die Ruhe fürchten, und Gewerbetreibende aus dem sogenannten Planungsgebiet Groß Borstel 25. Peter Möring spricht von einer halbjährlichen Kündigungsfrist für seinen Malereibetrieb, die die Planung für ihn als Unternehmer so schwer kalkulierbar mache: "Wir mussten schon mal aus der Löwenstraße in Eppendorf raus", jetzt sei die Lage für ihn und seine zwölf festen Mitarbeiter wieder ungeklärt. Etwa zehn Gewerbebetriebe haben sich am ehemaligen Güterbahnhof angesiedelt, zudem das orientalische Möbelhaus und Restaurant Le Marrakech, das allerdings durch einen langjährigen Mietvertrag Bestandsschutz hat.

Für alle Beteiligten kam das Projekt "Tarpenbek Greens" recht überraschend. Bis 2010 sollte das Bahngelände, das erst im vergangenen Jahr an den irischen Investor, die McGarrell Reilly Group, verkauft wurde, noch Gewerbegebiet werden. Dann der Sinneswandel - Hamburg baut, wo es bauen kann, der Vertrag für Hamburg verlangt 6000 Neubauten pro Jahr im Stadtgebiet. Und damit sind viele Kleingärten in der ganzen Stadt bedroht.

In Groß Borstel soll neben dem ursprünglichen 8,4 Hektar großen Planbereich eine benachbarte 3,8 Hektar große Fläche als Wohnbau- und Grünfläche ausgewiesen werden. Diese zweite Fläche, die noch der Stadt gehört und die die Finanzbehörde gern dem irischen Investor verkaufen würde, ist umstritten. Dadurch würden nach Angaben von Christian Baulig, Sprecher der "Bahn-Landwirtschaft", 50 bis 70 Kleingärtner ihre Oasen verlieren. "Wir sind ja für Wohnungsbau, aber mit Augenmaß", betont er. Das habe der Bezirk aus den Augen verloren. Der Siegerentwurf des städtebaulichen Gutachterverfahrens, das das Hamburger Büro Kunst und Herbert Architekten für sich entschieden hat, sieht 750 Wohneinheiten in drei- bis viergeschossiger Bebauung plus Dachgeschoss vor. Problematisch ist bei dem Projekt die Verkehrsanbindung. Mit dem Auto ist das Gebiet nur über die Straße Kellerbleek zu erreichen. Allerdings führt die Zuwegung unter einer Bahnbrücke mit geringer Durchfahrtshöhe hindurch. "Wir sind der Meinung, dass es einer zweiten Verkehrsanbindung bedarf", sagt Wolf Wieters vom Kommunalverein Groß Borstel. Eine einseitige Anbindung sei möglich, sagt dagegen Thorsten Buch von der Argus Stadt- und Verkehrsplanung.

Dass das neue Wohnquartier eine großzügige Parkanlage mit Kinderspielplätzen bekommen soll, versöhnt die Kleingärtner nicht, denn alles Grün werde plattgemacht. Zwar sollen für sie Ausgleichsflächen gefunden werden, allerdings sind im ersten Entwurf nur 28 neue Parzellen vorgesehen. "Für uns ist das Projekt überdimensioniert", sagt Wolfgang Schubert, Vorsitzender der "Bahn-Landwirtschafts-Kolonie". Ihre Forderungen kurzgefasst: "Wir sind für 350 Wohneinheiten, bezahlbares Wohnen und die Festschreibung der Kleingarten im Bebauungsplan."

Hans-Peter Boltres, Leiter des Fachamtes für Stadtplanung im Bezirk Nord, wirbt um Verständnis: "Alle Belange werden Punkt für Punkt abgearbeitet. Wir lassen alles von Gutachtern untersuchen." Er geht davon aus, dass eine Lärmschutzwand errichtet werde. Die wird auch nötig sein: Die Bahn will deutlich mehr Züge fahren lassen, etwa 85 pro Werktag, mit einer Länge von 650 Metern und einer Geschwindigkeit von bis zu 80 Kilometern pro Stunde.