Olaf Scholz hätte die Citymaut-Debatte schneller beenden müssen

Ein politischer Grundsatz lautet: Zettele keine Diskussion an, die du nicht gewinnen kannst! Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) hat gegen diese Regel verstoßen. Er wolle, so der Ex-Handelskammer-Präses, die Einführung einer Citymaut prüfen, Denkverbote solle es nicht geben. Doch das Tabu war ausgerechnet von Bürgermeister Olaf Scholz ausgesprochen worden, der im Wahlkampf dieses Abkassieren der Autofahrer plakativ ausgeschlossen hatte.

Jedes Abrücken von dieser Position wäre der Bruch eines Wahlversprechens gewesen. Um welchen Preis hätte Scholz darauf eingehen sollen, noch dazu völlig ohne Not? Eben. Senator Horch hat einen ganzen Tag benötigt, um einzusehen, dass er auf falschem Kurs war, und zurückzurudern.

Scholz wiederum ist vorzuwerfen, dass er seinem Wirtschaftssenator 24 Stunden Lernzeit zugebilligt hat, anstatt eine auch für ihn selbst schädliche Debatte im Keim zu ersticken. Mit dem Motto "Wer Führung bestellt, bekommt sie bei mir" hat er einst seine Partei, die SPD, diszipliniert. Auch wenn wohl wahr ist, dass man einen Senat nicht so führen kann wie eine Partei. Es bleibt festzuhalten, dass hier einer offensichtlich noch auf der Suche nach seiner Rolle an der Spitze des Senats ist.

Alles in allem war die erregte Debatte über die Citymaut ein Warnschuss für die seit Kurzem regierenden Sozialdemokraten. Mehr aber auch nicht. Allen - den politischen Konkurrenten, den Bürgern und nicht zuletzt auch den professionellen Beobachtern - ist eine gewisse Gelassenheit bei der Beurteilung der ersten Schritte des neuen Senats anzuraten. Kein noch so guter Plan und erst recht keine gut gemeinte Absicht kann jede nur erdenkliche Unwucht verhindern. Regierungshandeln ist ein derart komplexes Geschäft, dass Anfängerfehler fast unvermeidlich sind.

Der Grundsatz einer 100-Tage-Schonfrist mag im digitalen Zeitalter antiquiert sein. Zu Recht besteht die Erwartung, der neuen Regierung von Beginn an kritisch auf die Finger zu schauen. Nur: Das erste Zeugnis sollte frühestens nach Ablauf der Einarbeitungsphase ausgestellt werden.

Schlimm wäre es aber, wenn aus den ersten Fehlern nichts gelernt würde. In diesem Sinn muss Wirtschaftssenator Horch vor der nächsten politischen Tretmine in seinem Verantwortungsbereich gewarnt werden: der Einführung der Stadtbahn, der Bürgermeister Scholz eine ebenso klare Absage erteilt hat wie der Citymaut.