Moritz Freiherr Knigge, 42, ist Autor und Berater.

Hamburger Abendblatt:

1. Die Sportmoderatorin Monica Lierhaus ist nach ihrer schweren Erkrankung zum ersten Mal wieder im Fernsehen aufgetreten. Dabei hat sie ihrem Lebenspartner einen Heiratsantrag gemacht. Hätte sie darauf besser verzichtet?

Moritz Freiherr Knigge:

Nein. Ein Heiratsantrag ist zwar etwas sehr Intimes, ebenso wie eine schwere Krankheit. Doch Monica Lierhaus ist nicht nur eine öffentliche Person, sondern eine sehr beliebte und respektierte obendrein. Verzicht hat sie in den letzten beiden Jahren gezwungenermaßen genug geübt. Nun möchte Monica Lierhaus Schritt für Schritt, aber auch ein wenig ungeduldig wieder dahin kommen, wo sie hingehört. Vor die Kamera. Und den ersten Schritt hat sie am Sonnabend, als sie ihren Lebensgefährten, den sie selbst als ihren persönlichen Helden bezeichnete, um sein Jawort bat. Das war mutig und von Herzen. Keine Etiketteregel der Welt hätte dem etwas entgegenzusetzen.

2. Dürfen Frauen heutzutage Heiratsanträge machen?

Knigge:

Sie dürfen. Die Zeiten, in denen das Rollenverständnis der Geschlechter fest zementiert war, sind vorbei. Das mag nicht jedem gefallen, leugnen lässt es sich nicht.

3. Ist daran etwas anders als bei Männern?

Knigge:

Ja. Frauen und Männer kommunizieren anders. Während Frauen die Meisterinnen der indirekten Kommunikation sind, haben es Männer lieber direkt. Die Frage "Willst du mich heiraten?" ist sehr direkt. Ob das genetisch oder durch Erziehung bedingt ist, darüber scheiden sich die Geister.

4. Warum erscheint uns das noch ungewöhnlich?

Knigge:

Weil uns tradierte Umgangsformen Sicherheit geben. Weil jeder von uns im besten Fall weiß, was er zu tun und zu lassen hat. Wenn sich diese Rollen aber ändern, weil die einen keine Lust mehr haben, das starke Geschlecht zu mimen, und die anderen nicht mehr bereit sind, schwach zu sein, dann erzeugt das Unsicherheit.

5. Darf man im Fernsehen oder in anderem öffentlichen Rahmen überhaupt Anträge machen?

Knigge:

Die Ausnahme bestätigt die Regel. Der Auftritt von Monica Lierhaus ist eine solche Ausnahme. Intimität und Öffentlichkeit schließen sich aus höflicher Sicht aus. Durch die öffentliche Offenbarung intimer Gefühle zwingen wir andere, an diesen teilzuhaben. Das empfinden wir im besten Fall als - wie bei Monica Lierhaus - mutig, anrührend und beeindruckend, im schlechtesten Fall als Zumutung. Kein Wunder, dass so mancher öffentlicher Antrag zum Fiasko für den Antragsteller wurde, weil ihm das Publikum oder der Beragte Tränen der Rührung verweigerte.