Eine Glosse von Nina Holley

Sie sind wohl endgültig vorbei, die schaurig-schönen Herbergszeiten unserer Jugend. Nie wieder werden wir uns mit 15 anderen hoch pubertierenden Mitschülern auf einer Klassenfahrt ein Zimmer teilen müssen. Und auch der unentwegte Deoduft von "Vanilla Kisses", der den Schweiß und andere undefinierbare Gerüche im Schlafsaal übertünchen sollte, gehört der Vergangenheit an. Aber er gehörte ebenso dazu wie die schweren, verstaubten, orangefarbenen Vorhänge oder die viel beneidete Take-That-Bettwäsche der Klassenkameradin. Und wer erinnert sich nicht an den zum Frühstück servierten Kakao mit Haut aus der Zinkkanne? Der pure Genuss von Pulver-Wasser statt Milch-Schokolade.

Aber werden wir die Zeiten wirklich vermissen? Heute zieren modische Flatscreens in komfortablen Zweibettzimmern die Wände. Die übrigens tapeziert und nicht mit grüner Ölschutzfarbe gestrichen sind. Eine neu entstandene Erlebniswelt, in der Globalisierung und Interkulturalität aufgegriffen werden. Der Herbergsvater bietet einem ohne zu zögern die Afrika- und Orient-Zimmer oder gar die "Honeymoon-Suite" mit Himmelbett und einem roten Plüschherzkissen an. Die Waschräume? Eine Wellnessoase. Statt schwarzer Toilettenbrillen aus den 70er-Jahren dürfen wir nun auf transparenten Kunststoffbrillen mit eingearbeiteten Muscheln Platz nehmen.

Wir stellen fest: Ja, die alten Zeiten sind wirklich vorbei. Und nein, wir werden sie nicht wirklich vermissen. Oh, du schöne neue Herbergswelt!