Im Abendblatt-Interview spricht der Bürgermeister über das Scheitern von Schwarz-Grün, seinen Ärger über die GAL und sein Kümmerer-Image.

Hamburg. Nachdem die GAL das schwarz-grüne Bündnis verlassen hat, stieg sie in einer Umfrage auf 14 Prozent, die CDU stürzte auf 28 Prozent ab. Im Interview übt Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU), der gestern 100 Tage im Amt war, schwere Kritik am ehemaligen Partner.

Hamburger Abendblatt:

Härter ist eine Partei selten in Umfragen abgestraft worden als jetzt die CDU. Was ist passiert?

Christoph Ahlhaus:

Es entstand der Eindruck, dass die GAL mit dem Scheitern des Bündnisses nicht viel zu tun hat. Die Wahrheit liegt leider woanders.

Sie sind politisch hauptverantwortlich. Schreiben Sie sich die Werte auch persönlich zu?

Ahlhaus:

Es wäre vermessen, wenn man als Bürgermeister sagt, man habe mit den Umfragewerten der Partei nichts zu tun. Ich bin in der Verantwortung, und ich trage auch die Verantwortung für diese Umfragewerte. Es ist schwierig, ein Amt zu übernehmen von einem besonders beliebten und erfolgreichen Bürgermeister, noch dazu nach dem Volksentscheid zur Primarschule und drei Wochen vor der größten Sparanstrengung dieser Stadt.

Im Vergleich mit Olaf Scholz von der SPD liegen Sie weit zurück und verlieren an Boden. Was haben Sie falsch gemacht?

Ahlhaus:

Wer als Bürgermeister vor Neuwahlen steht, weil der Koalitionspartner sich aus der Verantwortung zieht, der kann nicht erwarten, dass er daraus gestärkt hervorgeht.

Die Frage war, ob Sie möglicherweise auch Fehler gemacht haben, die zu diesen Umfragewerten geführt haben?

Ahlhaus:

Natürlich habe auch ich Fehler gemacht, und ich bin auch selbstkritisch genug, sie einzugestehen.

Zum Beispiel?

Ahlhaus:

Die Kommunikation rund um das Thema Sparmaßnahmen in der Kulturpolitik ist schlecht gelaufen. Das lag nicht nur in der Verantwortung des Kultursenators, sondern auch in meiner als Bürgermeister.

Überrascht es Sie, dass die GAL in Umfragen vom Koalitionsbruch profitiert?

Ahlhaus:

Ja, das hat mich überrascht. Aber das war genau das Kalkül der GAL, und es scheint diesen Umfragen zufolge aufgegangen zu sein.

Warum haben Sie nicht geschafft, das Bündnis zu retten?

Ahlhaus:

Zu einem Bündnis gehören zwei Partner. Und wenn der eine den Ausstieg will, ist es unmöglich, ihn daran zu hindern. Es gab ja keinen konkreten Anlass für diesen abrupten Vertrauensbruch. Die Begründungen, die jetzt im Nachhinein angeführt werden, sind zum Teil hanebüchen. Da ist von fünf Rückritten von Senatoren die Rede - aber vier davon waren vor meiner Wahl zum Bürgermeister. Wenn die Grünen diese Rücktritte als unerträgliche Belastung empfunden haben, hätten sie mich nicht zum Bürgermeister wählen dürfen.

Und den fünften Rücktritt, den von Finanzsenator Carsten Frigge, halten Sie für einen vorgeschobenen Grund?

Ahlhaus:

Ja, der Rücktritt wurde von den Grünen ja sogar begrüßt. Es ist eine Woche her, dass die Senatorinnen Christa Goetsch und Anja Hajduk sowie Fraktionschef Jens Kerstan hier an diesem Tisch saßen und ich sie über den Rücktritt des Finanzsenators informiert habe. Die gingen mit fröhlichen Gesichtern und haben gesagt, das sei eine echte Entlastung für diese Koalition.

Was unterstellen Sie als Motiv für den Ausstieg?

Ahlhaus:

Die Grünen wollten aus Machtkalkül diese Koalition nicht mehr, sie haben die schwarz-grüne Idee einer Machtoption geopfert. Das bedaure ich und bin auch menschlich enttäuscht. Aber als Demokrat akzeptiere ist es. Jetzt heißt es kämpfen.

Alle Daten sind für die CDU negativ: Sonntagsfrage, Bürgermeister-Direktvergleich. Mit welcher Strategie wollen Sie aus dem Keller kommen?

Ahlhaus:

Ganz einfach mit der Strategie, dass ich mich den Menschen so präsentiere, wie ich bin. 100 Tage Amtszeit sind zu wenig, um den Menschen zu vermitteln, für welche Politik ich stehe. Ich will zeigen, was ich kann und was CDU-Politik wirklich heißt - ohne das Klein-Klein in einer Koalition mit den Grünen.

Was heißt CDU-Politik genau?

Ahlhaus:

Viele Menschen sind von Schwarz-Grün enttäuscht, weil sie den Eindruck haben, dass die Koalition sich um viele hochtrabende Projekte gekümmert hat, aber so wenig um die Alltagssorgen der Menschen. Das fängt bei der wieder aktuellen Schneeräumung im Winter an und geht weiter über Schlaglöcher und Baustellen-Koordinierung bis hin zu bezahlbarem Wohnraum. Wo waren denn da die Hemmnisse? Wo war die Fachverantwortung für die Themen, die die Menschen gestört haben?

Wollen Sie sagen, dass die Behörde von Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk, GAL, die Sorgen der Bürger nicht ernst genommen hat?

Ahlhaus:

Ja, so ist es. Nicht nur in der Stadtentwicklungsbehörde: In vielen Bereichen wurde Ideologie über die Sorgen der Menschen gestellt. Im Winter wird aus ideologischen Gründen nicht vernünftig Salz gestreut. Die eine Abteilung der Behörde will Wohnungsbau, die andere macht so hohe Umweltauflagen, dass das Ganze nicht vorankommt. Alle diese Blockaden sind hausgemacht - aber nicht von der CDU.

Zurück zur Strategie: Was ist das Thema, mit dem die CDU die Menschen überzeugen will?

Ahlhaus:

Die CDU will sich um die Alltagssorgen kümmern, weg von ideologischem Ballast. Ein Bürgermeister muss ein Kümmerer sein. Ich habe heute zum Beispiel intensive Gespräche darüber geführt, was wir für Obdachlose tun können, und entschieden, dass wir einen beheizten Bunker öffnen. Da draußen schneit's, es ist kalt, und ein Bürgermeister muss sich darum kümmern. Diese Bürgernähe ist in den vergangenen Jahren vernachlässigt worden.

Stichwort Bürgernähe: Werden Sie die Kita-Gebühren-Erhöhung zurücknehmen, die in der Verantwortung einer CDU-geführten Behörde liegt?

Ahlhaus:

Die Gebühren-Erhöhung war vielleicht politisch-strategisch nicht opportun, aber sie ist inhaltlich richtig. Deswegen stehe ich dazu. Ich bin kein Populist, der jetzt die Rücknahme verspricht. Im kommenden Jahr können wir mit zusätzlichen Steuereinnahmen rechnen. Wir müssen genau überlegen, was wir damit machen. Da steht das Thema Kita-Gebühren bei mir an oberster Stelle.

Wird die von der GAL betriebene Reform des Schulnotensystems auf Eis gelegt?

Ahlhaus:

Das Thema wird nicht weiter bearbeitet.

Was wollen Sie noch alles abräumen von Schwarz-Grün?

Ahlhaus:

Da wäre zu billig. Ich mache doch keine Bestrafungsaktion für die GAL. 95 Prozent dessen, was wir gemeinsam gemacht haben, sind richtig und erfolgreich.

Nach dem von Ihnen verkündeten Planungsaus für die Stadtbahn sieht es so aus, als ob Sie einen Stammwähler-Wahlkampf führen wollen. Das heißt: Die Union landet bei 25 Prozent. Reicht Ihr Ehrgeiz nicht weiter?

Ahlhaus:

Es geht nicht um meinen Ehrgeiz. Ein rot-grünes oder ein rot-rot-grünes Bündnis werfen diese Stadt zurück und machen kaputt, was in den letzten neun Jahren unter CDU-Verantwortung aufgebaut worden ist. Hamburg ist Boomtown, ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht. Wir haben riesige Chancen gerade auf dem zentralen Politikfeld der Grünen, nämlich Umwelt. Aber auch hier gilt: Innovation vor Ideologie! Das gilt zum Beispiel für das Thema Umwelthauptstadt 2011.

Zur Umwelthauptstadt würde es doch prima passen, wenn die Stadtbahn jetzt auf die Schiene gesetzt würde.

Ahlhaus:

Niemand hat etwas gegen das Verkehrsmittel Stadtbahn, aber ich halte die Trasse für falsch. Nachdem die GAL sich vor der Verantwortung für ihre Projekte drückt, bin ich nicht der Gralshüter grüner Ideen. Die Entscheidung über die Streckenführung lag in der Behörde von Frau Hajduk.

Der CDU fehlt der Bündnispartner. Die FDP bietet sich nicht wirklich an.

Ahlhaus:

Die Sachlage ist, wie sie ist. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es eine schwarz-grüne Koalition gibt, wenn es dazu reichen sollte. Ich glaube nicht, dass die GAL noch ein verlässlicher Partner für die CDU sein kann.

Bleibt nur eine Große Koalition.

Ahlhaus:

Diese Option gibt es. Das bewerte ich aber nicht heute.

Würden Sie persönlich als Juniorpartner in eine Große Koalition eintreten?

Ahlhaus:

Diese Frage stellen wir uns, wenn die Konstellationen bekannt sind. Ich sage aber ganz deutlich: Die CDU wird keine Besitzansprüche vor das Interesse der Stadt stellen.

Bereuen Sie den Glamour-Auftritt mit Ihrer Frau in der Zeitschrift "Bunte"?

Ahlhaus:

Wer mich kennt, weiß, dass ich ein bodenständiger Typ bin. Ich bin kein Glamour-Mensch, der abgehoben Schloss-Atmosphäre demonstrieren will. Ich will ein Bürgermeister zum Anfassen sein.

Hand aufs Herz: War es ein Fehler?

Ahlhaus:

Ja. Im Nachhinein würde ich es so nicht mehr machen.