Immer mehr Kommunikationsprofis gründen Internet-Läden für Lebensmittel. Die Hamburgerin Bianca König startet mysupper.de.

Hamburg. Otto ist eher zögerlich, Amazon erfährt für sein neues Projekt viel Kritik. Lebensmittelhandel im Internet ist offenbar selbst für erfahrene Branchenriesen ein schwieriges Thema. Bianca König aus Hamburg , erfolgreiche Werberin, will sich jetzt ausgerechnet in dieses Geschäft wagen. Nicht aus Not, sondern aus Leidenschaft. Ihre Werbeagentur Neue Monarchie (früher König & Engländer) mit 25 Mitarbeitern sitzt in der City.

Zu ihren Kunden zählen der HSV und Montblanc. Ihre Werbung für Musicals wie "König der Löwen", "Tarzan" oder "Sister Act" kennt jeder Hamburger. "Aber ich finde Essen einfach großartig", schwärmt die 37-Jährige. Jetzt eröffnet sie mit Mitgründerin Corinna Pink-Hildebrandt, 43, einen Spezialitätenversand im Internet und gleich auch noch einen Laden in der realen Welt, in der Schanze. Beide heißen mysupper.de (englisch für "Mein Abendessen").

Zum Sortiment gehören Dinge, die der Durchschnittsbürger nicht ganz so häufig auf dem Teller hat: ein handgegossener Weihnachtsmann, Himbeer-Knallbrause-Schokolade oder Steinpilz-Kürbiskern-Pesto. Die preisliche Bandbreite reicht von Bionudeln für 2,80 Euro bis zum 25 Jahre alten Balsamico für 180 Euro. "Wir haben keine 45 verschiedenen Balsamico-Varianten, sondern zwei oder drei, die wir am besten finden", sagt Bianca König. Der gelernten Schriftsetzerin geht es um die "Auswahl der Auswahl".

Das Design der Verpackungen muss attraktiv und unverwechselbar sein

Während andere Gründer Businesspläne schreiben und Bankgespräche führen, gestaltete Bianca König ihren Firmenstart etwas sinnlicher: Sie probierte rund 1000 Leckereien, reiste in Trendstädte wie Berlin oder Paris und sprach mit den Herstellern über die Geschichte hinter den Produkten. Mit zwei australischen Winzern, beide Linkshänder, die diese Besonderheit zum Thema ihrer Marke machten. Mit einem österreichischen Paar, das seine Produkte im eigenen Garten anbaut.

Etlichen Produzenten, die zwar in der Herstellung top, im Marketing aber nur Mittelmaß sind, verhalf Bianca König dabei auch zu einem neuen Design ihrer Ölflaschen, Konserven oder Teedosen. "Die Optik ist uns wichtig, das Produkt muss eine Attraktivität ausstrahlen und nicht an jeder Ecke zu finden sein", sagt Bianca König.

Die Marketingexpertin ist mit ihrem Gourmet-Experiment unter Hamburger Werbern kein Einzelfall. Auch die Agentur Kolle Rebbe wildert mit ihrer Firma "The Deli Garage" im Online-Lebensmittelhandel. Unter der Adresse the-deli-garage.com können Fans außergewöhnlicher kulinarischer Ideen Esslack in den Farben Gold und Silber bestellen und damit ihre Tomaten besprühen. Dazu bieten sich Mehrzwecknudeln in Form von Schrauben, Muttern und Dübeln an, die von den Hamburgern auf ihrer Homepage als "idealer Werkstoff zum Zusammenschrauben von Pastagerichten, Salaten und Aufläufen" angepriesen werden.

Umfrage: Hamburg bekommt gute Noten von Online-Händlern

Ein schon etablierter Kommunikationsexperte im Lebensmittelhandel ist Jan Schawe. Der Marketingmann arbeitete zuvor als Referent des renommierten Designers Peter Schmidt und gründete vor vier Jahren "Mutterland", einen durchgestylten Laden am Hauptbahnhof mit meist norddeutschen Produkten wie Seehundkuchen oder Hamburger Ahoi-Tee. Inzwischen hat er nicht nur weitere Standorte in Eppendorf und im Hanseviertel, der Hamburger verkauft die Heimwehlebensmittel auch im Internet erfolgreich.

Die gute Bilanz der Hamburger Online-Lebensmittelhändler scheint kein Zufall zu sein. Nach einer aktuellen Studie sind die E-Commerce-Unternehmen auch mit den Bedingungen in der Stadt besonders zufrieden. Insgesamt wird der E-Commerce-Standort Hamburg von den Firmen mit der Note 2,2 bewertet. 15 Prozent geben der Elbmetropole sogar eine glatte Eins, annähernd 60 Prozent eine Zwei. Das ergab eine Umfrage bei über 300 Unternehmen der digitalen Wirtschaft durch die Initiative Hamburg@work, dem Netzwerk für Medien, IT und Telekommunikation und dem AGA Unternehmensverband. Wesentliche Vorteile von Hamburg gegenüber der Konkurrenz wie Berlin oder München sind für die befragten Unternehmen vor allem die (IT-)Infrastruktur, die E-Commerce-Kompetenzdichte und Kooperationsmöglichkeiten.