Armin Valet, 44, ist Ernährungsexperte der Verbraucherschutzzentrale Hamburg.

1. Hamburger Abendblatt:

In der Massenaufzucht wird ein Hähnchen im Durchschnitt 20 Tage lang mit Antibiotika behandelt - bei einer Gesamtlebensdauer von nur 32 Tagen. Ist das für den Menschen gefährlich, wenn er ein solches Hähnchen isst?

Armin Valet:

Je mehr Antibiotika eingesetzt werden, desto gefährlicher wird es für den Menschen, weil es zu sogenannten Resistenzbildungen kommen kann. Das heißt: Antibiotika, die in der Humanmedizin eingesetzt werden, wirken nicht mehr. Es gibt Todesfälle, die teilweise durch Nutztierhaltung beeinflusst wurden. Da muss man sich fragen, ob die Haltungsform die richtige ist, wenn Tiere nicht ohne Arzneimittel das Ende ihrer Mastzeit erreichen.

2. Ist bekannt, wie viel Antibiotika insgesamt eingesetzt wird?

Valet:

Antibiotika werden in der Nutztierhaltung auch bei anderen Tieren wie Schweinen eingesetzt. Es kann auch noch nicht ausgeschlossen werden, dass die Anwendung mit Antibiotika deutlich höher liegt als zurzeit bekannt ist. Es werden zudem deutlich mehr Antibiotika in der Nutztierhaltung als in der Humanmedizin eingesetzt.

3. Aus welchem Grund werden in der Nutztierhaltung immer mehr Medikamente eingesetzt?

Valet:

Das Problem liegt im System. Tiere werden in Massen auf großem Raum gehalten und dann spottbillig angeboten. Die Verbraucher sind dieses System gewöhnt und steigen weniger auf Bio um, weil dies um das vier- bis fünffache teurer ist. Den Verbrauchern sollte man ans Herz legen, dass weniger Fleisch manchmal mehr ist. Nicht jeden Tag Fleisch essen und eine Umstellung auf hochwertige Bioprodukte sind auf jeden Fall anzuraten.

4. Wie viel Vertrauen kann man in Bio-Produkte haben?

Valet:

In der Ökohühnermast dürfen vorsorglich keine Medikamente verabreicht werden. Antibiotika werden nur bei einzelnen Tieren und erst eingesetzt, nachdem homöopathische Mittel nichts bewirkt haben. Hühner werden zudem nach einer Behandlung erst deutlich später zum Schlachten freigegeben.

5. Wie beurteilen Sie, dass ausschließlich bei der Hühnerzucht aus datenrechtlichen Gründen von amtlichen Stellen nicht veröffentlicht wird, in welchen Betrieben welche Medikamente eingesetzt werden?

Valet:

Das ist überhaupt nicht nachvollziehbar. Es geht schließlich um die Gesundheit von Menschen, um eine Gefahr für die Verbraucher. Gerade in der Hühnerzucht landen besonders viele Antibiotika. Mit diesen Daten könnte man auch besser erforschen wie die Resistenzbildung mit der Verabreichung zusammenhängt.