Hohe Treibstoffkosten und Überkapazitäten gefährden laut einer Umfrage die Zukunft der Branche. Immer mehr Ausflaggungen zu verzeichnen.

Hamburg. Die deutsche Handelsflotte droht ihre führende Position in der internationalen Schifffahrt zu verlieren. Infolge der seit mehr als drei Jahren anhaltenden Krise wollen 80 Prozent der Reedereien in den kommenden drei bis fünf Jahren nicht investieren.

Noch dramatischer: Mehr als 80 Prozent der Topmanager der Betriebe gehen davon aus, dass zahlreiche Firmen der Branche das Jahr 2013 nicht überstehen oder zu Fusionen gezwungen sein werden. Das geht aus einer Umfrage des Marktforschungsinstituts teleResearch Mannheim bei 101 Reedereien im Auftrag der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC hervor.

+++ Deutsche Reeder suchen Kurs aus der Krise +++

+++ Umfrage: Viele Reedereien werden nicht überleben +++

"Wir hoffen, dass die Entwicklung nicht den Abschied der deutschen Flotte von den Weltmeeren einleitet", sagte Claus Brandt, Partner und Leiter des maritimen Kompetenz-Centers von PwC gestern in Hamburg. Die Reedereien leiden unter hohen Treibstoffkosten und Überkapazitäten bei der Tonnage. Sie ist die Hauptursache für niedrige Mieteinnahmen (Charterraten) für Schiffe, nicht kostendeckende Transportpreise und daraus resultierende rote Zahlen. Brandt warnte, dass die Konkurrenz aus Asien aus der Lage Profit schlagen könnte. So stellten China und andere asiatische Staaten Fördergelder für Investitionen ihrer Branche bereit. Damit könnten Not leidende Schiffe aus deutschem Management übernommen werden. "So kommt auch die deutsche Containerflotte unter Druck, die derzeit mit 34 Prozent der weltweiten Kapazität an erster Stelle steht", sagte Brandt. Es werde "höchste Zeit", über Förderinstrumente wie Bürgschaften und Kredite der staatlichen KfW-Bank für die Schifffahrt nachzudenken.

+++ Umfrage: Viele Reedereien werden nicht überleben +++

In der maritimen Branche, die PwC zu den zehn größten bundesweit zählt, arbeiten derzeit 380 000 bis 400 000 Beschäftigte. Insgesamt erzielen Werften, Häfen, Zuliefererfirmen, Versicherungen und Banken einen Jahresumsatz von 85 bis 90 Milliarden Euro. Dabei spielen die von Deutschland aus gemanagten Firmen auch für die Häfen eine wichtige Rolle. "Mit der Krise haben ausländische Reedereien Schiffe aus Hamburg abgezogen, während die Frachter der Allianz um Hapag-Lloyd weiter nach Hamburg gefahren sind", sagte Brandt. Eine schrumpfende Flotte würde weitere maritime Arbeitsplätze aus Deutschland abziehen.

Von der schwierigen finanziellen Situation sind vor allem kleinere Reedereien betroffen. Das sind nicht wenige. Denn die Hälfte der 280 deutschen Reedereien setzt nur ein oder zwei Schiffe ein. Von ihnen rechnen 19 Prozent für die kommenden Monate mit weiter sinkenden Umsätzen. Dagegen erwarten 64 Prozent der größeren Unternehmen mit einem Erlös von mehr als 100 Millionen Euro noch einen Zuwachs. Schließlich gehen Experten für die kommenden Jahre von einem jährlichen weltweiten Wachstum des Transports von sieben Prozent aus. Dennoch sieht Brandt etwa 400 der 2500 über Fonds finanzierten Schiffe in Gefahr. "Weil die Einnahmen nicht reichen und kaum weitere Kredite von Banken zu erwarten sind, drohen Insolvenzen", sagte der Schifffahrtsexperte.

+++ Gefährliche Krise der Schifffahrt +++

Vor allem um Kosten zu sparen und die teure Bürokratie für die deutsche Flagge zu umgehen, wollen 21 Prozent der befragten Reedereien nun in den kommenden zwölf Monaten ausflaggen. Dagegen denken nur sechs Prozent darüber nach, Schiffe neu unter Schwarz-Rot-Gold zu stellen. Damit dürfte das Ziel der EU nur schwer zu erreichen sein, bis zum Jahresende 60 Prozent der Schiffe unter einer europäischen Flagge fahren zu lassen. Dies gilt aber als eine der Bedingungen, um die für die Reeder günstige Tonnagesteuer in der Gemeinschaft aufrechtzuerhalten. "Die Quote wird nur erfüllt werden, wenn Schiffe von Panama, Liberia oder den Marshall-Inseln zumindest unter Malta-, Zypern- oder Gibraltar-Flagge gestellt werden", sagte Brandt. Derzeit sinkt die Zahl der Schiffe unter deutscher Flagge wieder. Von der Flotte von 4000 Schiffen fuhren im April - neuere Zahlen liegen noch nicht vor - noch 502 unter deutscher Flagge, im vergangenen Juni waren es dagegen immerhin noch 568 Frachter.

Eine der wenigen positiven Ergebnisse der Studie betrifft die Entwicklung der Piraterie. Nach zuvor 86 Prozent der Befragten sahen in den vergangenen zwölf Monaten nur noch 59 Prozent steigende Gefahren. Angriffe auf Schiffe meldeten 27 Prozent der Reedereien, nachdem es vor Jahresfrist 62 Prozent waren. Dazu dürfte die bessere Sicherung der Schiffe etwa mit ausgelegtem Stacheldraht, aber auch neues Sicherheitspersonal an Bord beigetragen haben. Mit diesen Kräften, die inzwischen mehr als die Hälfte der Reeder einsetzen, lassen sich Piraten zumeist abschrecken. Die Mehrheit der Bewacher ist bewaffnet. Deren Einsatz unter deutscher Flagge lehnt das Bundesinnenministerium aber bislang ab. So musste die Linienreederei Hamburg Süd zuletzt drei Frachter, die am Horn von Afrika geschützt werden sollten, zuvor nach Liberia ausflaggen.