Doch Neonazis lassen sich nicht nur mit Gesetzen und Verbunddateien bekämpfen.

Gestern war der Tag der mahnenden Zeigefinger. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) warnte vor Alleingängen beim Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD, Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) warnte vor Schnellschüssen. Wer die Sprache der Politik hinter den Aussagen versteht, bekommt Zweifel, ob einige Innenminister überhaupt ein Verfahren gegen die NPD wollen. Oder ob sie es nicht doch lieber ganz lassen wollen wie Bundestagspräsident Lammert (CDU). Das ist traurig - denn nichts ist nach Bekanntwerden der Mordserie durch Neonazis wichtiger als ein entschlossenes Vorgehen gegen Gewalt von Rechtsextremen. Dazu gehört ein Verbot der NPD.

Die Neonazi-Partei hat sich die rassistischen Morde durch die Gruppe um die sogenannte Zwickauer Zelle nicht in ihrer Propaganda zu eigen gemacht - aber sie schafft mit ein Klima, in dem sich braune Mörder entwickeln können. Die Verbindungen zwischen der NPD und gewaltbereiten Autonomen und Kameradschaften sind bekannt - und sie werden staatlich finanziert mit Steuermitteln für die Partei. Mit der Verhaftung des früheren Funktionärs der NPD, Ralf Wohlleben, werden die Bezugslinien der Partei zum gewalttätigen Untergrund deutlich. Dies entkräftet auch ein Argument der Kritiker eines Parteiverbots: Die Neonazis der NPD könnten abwandern aus den offiziellen Parteistrukturen in den Untergrund. Doch sie tun es längst. Es gibt derzeit viele banale Aussagen in der Debatte um ein NPD-Verbot: Natürlich ist "Sorgfalt" geboten, nicht nur bei einem Verfahren, in dem einer Partei zunächst eine "aggressiv-kämpferische" Art gegen die Demokratie nachgewiesen werden muss. Natürlich helfen "Schnellschüsse" nicht, wenn die NPD-Funktionäre vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen und gegen ein Verbot klagen. Und sicher wäre nichts schädlicher als ein verlorener Prozess und jubelnde braune Märtyrer. Doch Sorgfalt sollten Politik und Behörden nicht nur bei einem Parteiverbot beachten, sondern bei allen Beschlüssen, die sie treffen. Und die Angst vor "Märtyrern" sollte nicht dazu führen, sich von einer notwendigen politischen Forderung abbringen zu lassen.

Zweifel, wie sie Lammert äußert, sind berechtigt und wichtig für den politischen Diskurs. Erst die Zweifel machen aus einer Parlamentsfassade eine echte Demokratie. Doch im Fall des NPD-Verbots sind die besorgten Zwischenrufe kalkulierbar - ein Erfolg des Parteiverbots ist möglich.

Wer genau hinschaut, sieht andere Gefahren. Zum einen darf eine Debatte über einen Prozess gegen die NPD nicht die politischen Ressourcen im Kampf gegen rassistische Einstellungen in den Köpfen verschleißen. Rechtsextremismus ist nichts, was sich nur mit Verboten, Abwehrzentren und Verbunddateien bekämpfen lässt. Doch auf dem Schallmesser der Politik schlagen die klaren Bekenntnisse gegen Rassismus im Alltag weit weniger aus als eine Diskussion um Sicherheitspolitik. Hier haben Politik, aber auch die Bürger vieles versäumt.

Zudem darf Kritik an einem Verbotsverfahren nicht kalkuliert missbraucht werden, um eine kritische Auseinandersetzung mit der Arbeit des Verfassungsschutzes zu verhindern. Der Abzug der V-Leute aus der Spitze der NPD ist ein richtiger Schritt - nicht nur für ein erfolgreiches Verfahren gegen die NPD. Doch damit darf es nicht aufhören. Wie viel Sinn machen V-Leute überhaupt, wenn sie einerseits Geld in extremistische Parteien tragen, andererseits aber eine Mordserie nicht verhindern? Sind verdeckte Ermittler, also Beamte, nicht bessere Informanten als Neonazis, die für Behörden arbeiten? Der Verfassungsschutz spielt eine zentrale Rolle im Kampf gegen Rechtsextreme - umso wichtiger ist, dass die Gründe für sein Versagen aufgeklärt werden.