Für Mütter mit Kindern und Gehbehinderte fehlen im U-Bahnhof an der Osterstraße in Eimsbüttel Rolltreppen oder Fahrstuhl. Doch das soll sich ändern.

Hamburg. Jonas weint. Eben saß der Dreijährige noch kurz vor dem Einnicken in seinem Buggy, da muss er aussteigen. "Ich schaff' das sonst nicht", sagt Anne Geist, die Mutter. Die hochschwangere Frau hievt mit der einen Hand den Wagen hoch und nimmt ihren Sohn an die andere. Dann geht es langsam Stufe für Stufe nach oben. Ihr Weg sieht beschwerlich aus. "Das ist wirklich furchtbar hier", sagte sie außer Puste oben angekommen.

Mit hier meint sie die U-Bahn-Station Osterstraße. Die Haltestelle liegt im Zentrum des Stadtteils Eimsbüttel, wo sich viele Geschäfte, Ärzte und Cafés befinden. Auch Anne Geist und ihr Sohn sind auf dem Weg zum Doktor. "Ich verstehe gar nicht, warum es hier nur Treppen gibt", sagt die Hochschwangere. "Hier gibt es doch so viele Familien mit kleinen Kindern." Hinzu komme die zentrale Lage. Durchschnittlich 20 000 Fahrgäste nutzen die U-Bahn-Station Osterstraße an einem Werktag. Es gibt zwei Bahnsteige mit separaten Zugängen und ein Problem: Während es auf der Seite des einen Bahnsteigs zumindest Rolltreppen gibt, gibt es auf der Seite, auf der die Bahnen in Richtung Innenstadt halten, nur vier Treppenaufgänge. Aber das soll sich nun ändern.

Aufstiegskämpfe wie die von Anne Geist gibt es an der U-Bahn-Station Osterstraße im Fünf-Minuten-Takt zu beobachten. Da ist zum Beispiel die ältere Dame, die unten an der Treppe steht. Abwechselnd schaut sie auf ihren Einkaufstrolley und die regennassen Stufen. Sie wirkt verzweifelt. Erst nach einigen Minuten bietet ihr ein Passant Hilfe an und trägt ihren Trolley nach oben. Eine andere Seniorin ist da forscher. Sie spricht einfach einen jungen Mann an und bittet ihn, ihr mit ihrem Gehwagen behilflich zu sein.

+++ Diese U- und S-Bahn-Stationen werden barrierefrei +++

Und dann ist da noch die Mutter, die ihre Tochter im Kindergartenalter alleine oben an der Treppe stehen lassen muss, um dann in einem Kraftakt den Zwillingskinderwagen nach unten zu schleppen.

"Das wird sich bald ändern", sagt Holger Kreienbaum, Sprecher der Hochbahn. Denn die U-Bahn-Station Osterstraße ist eine jener 20 Haltestellen, die im Zuge des Beschleunigungsprogramms bis Ende 2015 barrierefrei werden sollen. In seiner Regierungserklärung im Frühjahr 2011 hatte Bürgermeister Olaf Scholz dieses Ziel genannt und Geld dafür versprochen. Die Kosten für die Umbauten, die neben Seh- und Tasthilfen einen Aufzug pro Bahnsteig umfassen, werden auf rund 30 Millionen Euro geschätzt. Und: Die U-Bahn-Station Osterstraße soll die nächste Haltestelle sein, die barrierefrei wird. "Die Detailplanungen laufen", sagt Kreienbaum. "Im kommenden Jahr werden die Fahrstühle nach jetzigem Stand in Betrieb gehen." Besonders für die vielen Familien in der Gegend sei dies wichtig. Grund für den späten Ausbau sei das Alter der unterirdischen Anlage aus dem Jahr 1914 und die damit verbundene Baustruktur. Die Bahnsteige sind vergleichsweise schmal und die Wände sehr dick. "Das wird eine der aufwendigeren und teureren Umbauten", sagt Kreienbaum.

"Wir hinken, was Barrierefreiheit angeht, im Vergleich zu anderen Stadtteilen etwas hinterher", sagt Ernst Kohrt, 68, Vorsitzender des Bezirksseniorenbeirats Eimsbüttel. Auch er führt die Historie als Erklärung an. "Die Strecke durch Eimsbüttel war eine der ersten, die gebaut wurden." Damals habe Barrierefreiheit noch keine Rolle gespielt und entsprechend schlecht sei die Grundstruktur der Stationen für einen Ausbau geeignet. "Das betrifft zum Beispiel auch die Haltestellen Christuskirche und Emilienstraße."

Auch Johannes Köhn, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen, ist die Problematik rund um die Osterstraße seit Längerem bekannt: "Die Station stand schon vor dem Beschleunigungsprogramm ganz oben auf unserer Liste." Er hoffe, dass das Versprechen des Bürgermeisters auch in den kommenden Haushaltsplanungen berücksichtigt wird. "Bisher ist ja nur das Planungsgeld gesichert."

Trotzdem ist er optimistisch. "Als Rollstuhlfahrer ist man ja nicht gerade verwöhnt", sagt Johannes Köhn. "Aber wir sind schon recht zufrieden mit dem, was nun im öffentlichen Nahverkehr getan wird."

Derzeit sind 37 von 89 U-Bahn-Stationen barrierefrei. Das entspricht 42 Prozent. Bis 2015 sollen es 57 sein (63 Prozent) und noch mal fünf Jahre später dann alle. Auch bei den S-Bahn-Stationen, für die die Deutsche Bahn zuständig ist, gibt es hochgesteckte Ziele. Von 56 S-Bahn-Haltestellen im Stadtgebiet Hamburg sind derzeit 37 barrierefrei. Bis zum Jahr 2016 sollen es fast alle sein.