Der Umsatz bei der Hamburger Schifffahrtsgruppe bricht ein. Personalabbau ist in der Hansestadt aber ist nicht geplant.

Hamburg. Die Schifffahrt in der Krise: Rote Zahlen, zum ersten Mal wachsen die Containermengen nicht mehr. Auch Hamburgs Traditionsreederei Hamburg Süd ist vom Einbruch betroffen. "Aber unsere Verluste sind niedriger als bei allen anderen Reedereien, die wir kennen", sagt der neue Chef, Ottmar Gast. Das Abendblatt sprach mit ihm über die Auswirkungen beim Personal, über Neubauten und das gedrosselte Tempo auf See sowie die Kosten des Hamburger Hafens.

Hamburger Abendblatt: Herr Gast, Sie sind mitten in der schlimmsten Schifffahrtskrise an die Spitze von Hamburgs Traditionsreederei gewechselt. Überwiegt da die Freude oder ist man angespannt?

Ottmar Gast: Sowohl als auch. Ich bin froh, dass ich nicht übernommen habe, als alles wunderbar lief. Klar war, dass sich die externen Bedingungen verschlechtern würden. Jetzt geht es darum, besser zu sein als das Umfeld.

Abendblatt: Wie stark ist Hamburg Süd von der Krise betroffen?

Gast: Genauso stark wie alle anderen. Es gab im ersten Quartal Mengenrückgänge um 25 Prozent. Eine völlig neue Situation. Denn bisher hat es in der Containerschifffahrt noch nie weniger Ladung als in einem Vorjahr gegeben. Wachstum war immer da.

Abendblatt: Wie sehen die Zahlen von Hamburg Süd aus?

Gast: Der Umsatz ist von 4,45 Milliarden Euro auf 3,2 Milliarden Euro zurückgegangen. Die Zahl der verladenen Standardcontainer (TEU) sank um mehr als 14 Prozent von 2,7 Millionen auf 2,3 Millionen. Für 2009 schreiben wir zwar leicht rote Zahlen. Aber sie sind niedriger als bei allen anderen Reedereien die wir kennen. Vor allem sind wir darauf stolz, dass wir weder von unserer Muttergesellschaft, der Oetker-Gruppe in Bielefeld, noch von anderen Quellen Hilfen in Anspruch nehmen mussten.

Abendblatt: Warum?

Gast: Unsere Strategie ging dahin, den Preisverfall für den Seetransport, also bei den Frachtraten, zu bremsen. Hamburg Süd hat keine Ladung angenommen, bei dem der Preis nicht einmal die Transportkosten deckte. Wir konnten ungestört arbeiten, weil das Management nicht laufend Finanzprobleme lösen musste. Dazu haben wir viele eigene Schiffe, für die keine, in der Vergangenheit abgeschlossenen, hohen Charterraten gezahlt werden mussten. Auch Zinsen und Tilgungen bei der Flotte fielen nicht an, da wir in der Regel die Neubauten aus den Einnahmen bezahlt haben.

Abendblatt: Hamburg Süd hat bis zum Jahr 2012 noch zwölf Neubauten bestellt. Werden sie alle übernommen?

Gast: Es ist unmöglich, bei koreanischen Werften Neubauten zu stornieren, außer man wird vertragsbrüchig. Das ist nicht unser Stil. Außerdem brauchen wir die Schiffe. Ihre Konstruktion ist auf die südamerikanischen Häfen zugeschnitten. Zehn Frachter mit jeweils 7100 Stellplätzen für Standardcontainer sind die größten im Verkehr nach Südamerika.

Abendblatt: Neben dem zurückgehenden Welthandel sind Überkapazitäten bei den Flotten und die dadurch sinkenden Transportpreise der zweite Hauptgrund für rote Zahlen bei den Reedereien. Wird sich dies künftig ändern?

Gast: Noch im Jahr 2008 lag der Auftragsbestand der Werften bei 60 Prozent der fahrenden Containerflotte mit zwölf Millionen Stellplätzen. Inzwischen sind es noch 36 bis 38 Prozent. Dazu sind Schiffe mit einer Kapazität von zwölf Prozent aufgelegt. Da jetzt nicht mehr bestellt wird, wird sich der Auftragsbestand abbauen, auch weil in China eher storniert werden kann als in Korea und Ablieferungen aufgeschoben werden. Experten rechnen erst für 2014 oder 2015 wieder mit einem ausgeglichenen Verhältnis zwischen Transportkapazitäten und Ladung. Wir gehen davon aus, dass dies zwei bis drei Jahre früher erreicht wird. Die Entwicklung des Welthandels wird derzeit zu pessimistisch beurteilt.

Abendblatt: Überkapazitäten lassen sich auch reduzieren, indem Schiffe langsamer fahren. Zudem wird Treibstoff gespart. Inwieweit ist Hamburg Süd engagiert?

Gast: Wir machen das bei zehn von 35 Diensten weltweit, was zusätzlich zehn Prozent Kapazität bindet. Statt 21 oder 22 Knoten wird jetzt nur noch mit 16 Knoten gefahren. Das spart 30 bis 40 Prozent Treibstoff. Dafür müssen aber statt zum Beispiel sechs dann sieben oder acht Schiffe pro Linie eingesetzt werden. Tendenziell gilt: Je höher die Treibstoffpreise, je eher lohnt sich dieses Vorgehen. Da aber das Öl künftig weniger Schwefel enthalten muss und auch über Belastungen für die Emissionen wie CO2 und Stickoxiden diskutiert wird, dürften die Preise über die Rohstoffkosten hinaus überproportional steigen. Es ist also zu erwarten, dass in der Containerschifffahrt auf absehbare Zeit langsamer gefahren wird.

Abendblatt: Hapag-Lloyd musste in der Krise Personal abbauen und hat die Entgelte gesenkt. Ist das auch bei Hamburg Süd nötig?

Gast: Das geringere Transportvolumen bringt kaum Entlastung bei der Arbeit. Vielmehr müssen oftmals viel intensivere Verhandlungen mit Kunden geführt werden. Im Personalbereich, der nur sieben Prozent der Gesamtkosten ausmacht, haben wir 7,5 Prozent eingespart. Diese Marge wurde den einzelnen Abteilungen weltweit vorgegeben. Folge war, dass im Ausland 180 Stellen abgebaut wurden, in Hamburg haben sich die Mitarbeiter dagegen für einen Gehaltsverzicht entschieden. Erhöhungen wurden ausgesetzt. Für alle bis hinauf zur Geschäftsleitung galt: Es gab statt eines 13. Gehalts nur einen Sockelbetrag von rund 500 Euro. Über die Boni für alle werden wir im kommenden Jahr entscheiden. Es ist nicht auszuschließen, dass da noch etwas kommt.

Abendblatt: Sind die Einschränkungen damit erledigt?

Gast: Aus jetziger Sicht ja. Im Gegenteil: Wir wollen 2010 etwa 30 Mitarbeiter unter anderem für die EDV in Hamburg einstellen.

Abendblatt: Was bringt der Vorstoß von Wirtschaftssenator Axel Gedaschko zur Senkung der Hafenkosten?

Gast: Die Liegegebühren sowie die Kosten für Schlepper, Festmacher und Lotsen sinken 2010 bei uns um 2,5 Prozent. Das zeigt den guten Willen der Stadt und ist hilfreich. Im Vergleich zu den Gesamtkosten macht dies aber weniger als 0,5 Prozent aus. Eine Summe, die nicht entscheidungsrelevant ist.

Abendblatt: Relevant sind die Umschlagkosten auf den Terminals...

Gast: ... da ist Hamburg weiter zu teuer. Die Terminals haben in den vergangenen Jahren, als die Abfertigungskapazitäten knapp waren, ihre Preise deutlich erhöht und sich damit zu den anderen Häfen an der Nordseeküste in eine nachteilige Position gebracht.

Abendblatt: Und nun?

Gast: Wir hoffen, dass ein Umdenken einsetzt. Sämtliche Reedereien müssen permanent darüber nachdenken, ob der Anlauf eines Hafens vorteilhaft für sie ist. Derzeit gibt es mehr Möglichkeiten, etwas zu ändern als vor zwei Jahren, als alle Umschlagfirmen voll beschäftigt waren.

Abendblatt: Der Hamburger Hafen lebt auch von den Zubringerverkehren. Bleibt die Hansestadt die Drehscheibe für Hamburg Süd für alle Waren, die nach Russland und Skandinavien gehen sollen?

Gast: Wir werden nichts ändern. Hamburg Süd und Hapag-Lloyd gehören zu den wenigen, die keine Verkehre abgezogen haben.

Abendblatt: Die Frachtraten haben sich seit dem Sommer wieder leicht erhöht. Nun steht das schwache erste Quartal bevor. Brechen die Preise wieder ein?

Gast: Nein, der Schmerz in der Branche ist zu groß. Es ist klar, dass die Reedereien mit sinkenden Preisen nicht überleben können. Die Preise werden also weniger fallen als in normalen Jahren.

Abendblatt: Dann wird 2010 besser als 2009?

Gast: Es wird weniger schlecht.