Die Dithmarscher Straße in Dulsberg ist nicht nur wegen niedriger Mieten und kurioser Läden ein Geheimtipp.

Hamburg. Erst im Frühling wird sich die Dithmarscher Straße wieder in eine grüne Lindenallee verwandeln. Jetzt hat der Herbstwind die meisten Blätter von den Bäumen gezupft, die links und rechts der mit Kopfstein gepflasterten Straße stehen. Vereinzelte Tische vor der Konditorei, der Kneipe und dem griechischen Restaurant zeugen davon, dass sich an der Dithmarscher Straße das Leben vor Kurzem noch draußen abspielte. Jetzt sitzt man lieber drinnen.

Beispielsweise in dem Café von Gisela Gerads (62), die hier seit fast vier Jahrzehnten eine Bäckerei und Konditorei betreibt. Die Gäste können aus einem großen Angebot selbst gemachter Kuchen und Torten wählen - eine Spezialität ist Gisela Gerads Bienenstich. "Die meisten meiner Kunden kommen seit vielen Jahren", sagt die Konditorin. Sie kennt fast alle mit Namen und wechselt mit jedem ein paar freundliche Worte, wenn sie Kaffee und Kuchen serviert. Auch Gabi Bieber (44), die hinter dem Tresen der Bäckerei steht, ist mit den Kunden vertraut. Sie arbeitet hier zwar erst seit vier Jahren, wohnt aber schon seit 1989 in der Straße. "Ich habe hier immer schon eingekauft", sagt Gabi Bieber. "Irgendwann hing ein Schild im Fenster, dass eine Verkäuferin gesucht wird. Da habe ich mich beworben."

Sie reicht eine Tüte mit Brötchen über den Tresen. "Bitte, Herr Fiedler." Jürgen Fiedler zahlt und bedankt sich. Er ist in der Straße bei fast allen bekannt. Seit Mitte der 90er-Jahre arbeitet der 47-Jährige als Quartiersentwickler im Stadtteil. "Die Dithmarscher Straße hat sich in der Zeit ziemlich verändert", sagt Fiedler, während er die Bäckerei verlässt. Vor allem baulich: Eine ehemalige Tankstelle gegenüber der Bäckerei ist Anfang der 90er-Jahre abgerissen worden. Dort stehen jetzt Backsteinhäuser, die sich gut in die vorhandene Bebauung eingefügt haben. Die Bewohner der Dithmarscher Straße spiegeln die Bevölkerungsstruktur im Stadtteil wider: etwa zu gleichen Teilen Alteingesessene, Ausländer und neu Hinzugezogene. "Wegen der niedrigen Mieten ist die Straße auch bei jungen Leuten beliebt", sagt Fiedler. "Für Familien mit mehreren Kindern sind die kleinen Wohnungen aber weniger gut geeignet."

Einmal im Jahr feiern alle zusammen ein großes Straßenfest. Der Mix aus Flohmarkt und kommerziellen Ständen, die urige Atmosphäre durch Linden und Kopfsteinpflaster locken ebenso Menschen aus anderen Stadtteilen an. Aber auch die breite Auswahl unterschiedlicher Geschäfte zieht viele an. Etwa der Laden von Uhrmacher Hermann Deckenbrock (73), in dem trotz des Tickens unzähliger Wecker und Wanduhren die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Seit mehr als 40 Jahren arbeitet er an der Dithmarscher Straße - immer bereit zu einem kleinen Plausch über Gott und die Welt. Und über die seltenen Pflanzen, mit denen er das Beet vor seinem Geschäft verschönert hat. Oder der Stoffhandel von Bernd Mattern (62), der erst mittags aufmacht. Hier gibt es Dekostoffe, Kordeln, Reißverschlüsse und Nähgarn. "Ein Fachgeschäft wie dieses findet man nicht mehr oft in Hamburg", sagt Kundin Karen Vogel (36) aus Eilbek, die oft herkommt. Wer die Straße hinunter schlendert, stößt auch auf kuriose Geschäfte: ein 50er-Jahre-Laden für Rockabilly-Fans sowie einen HiFi-Laden voller Boxen, Verstärker und Endstufen oder der Afrika-Markt Matula, wo man Spezialitäten wie Kokosnusssaft oder gedörrten Fisch findet, aber auch Haarteile und Decken aus buntem Stoff, riesige Süßkartoffeln und CDs mit afrikanischer Musik.

Ein anderer Laden, der schon seit Langem weit über die Grenzen des Stadtteils hinaus bekannt ist, ist der Dithmarscher Grill. "Schon zu meiner Studentenzeit", sagt Quartiersentwickler Jürgen Fiedler, "hatte ich als Taxifahrer oft Touren, bei denen ich Currywurst und Pommes vom Dithmarscher Grill nach Wandsbek oder Rahlstedt fahren sollte."

Gerade hält ein Polizeiwagen vor dem Laden, der seit fünf Jahren von Margareta Kraye (50) geführt wird. Doch die beiden Beamten kommen nicht wegen eines Einbruchs oder Überfalls. Sie ordern Hähnchen und Currywurst und Bauernfrühstück zum Mitnehmen - Mittagessen für sich und ihre Kollegen von der Wache.