Schlechtes Image - kaum Nachwuchs: Die Zahl der offenen Stellen hat sich innerhalb von vier Jahren vervierfacht. Der Bedarf wird noch weiter steigen.

Hamburg. Der Fachkräftemangel in den Hamburger Alten- und Pflegeheimen sowie den ambulanten Diensten wird immer schlimmer. Momentan gibt es in dem Bereich 440 offene Stellen. "Es werden händeringend Fachkräfte gesucht", sagt Gerald Melson von der Agentur für Arbeit. Und: Der Bedarf wird noch weiter ansteigen, weil es immer mehr alte Menschen geben wird, aber kaum jemand Altenpfleger werden möchte. "Die Zahl der freien Stellen hat sich innerhalb von vier Jahren vervierfacht", sagt Melson weiter. Zum Vergleich: Im Jahr 2005 wurden 100 offene Stellen gemeldet, im 2008 Jahr schon 330 und jetzt 440.

Der Arbeiter-Samariter-Bund hat in seinen 18 Sozialstationen noch zehn freie Stellen. "Die Lage spitzt sich zu. Es wird schwieriger, Fachkräfte zu bekommen", sagt Remmer Koch. Die Johanniter-Unfallhilfe meldet vier unbesetzte Stellen für examinierte Pfleger und sucht noch zwei Pflegeassistenten. Marianne Längler, Geschäftsführerin des Pflegeheims Rommerskirchen in Eimsbüttel - eines von rund 156 Alten- und Pflegeheimen in der Stadt: "Um examinierte Pflegekräfte wird richtig geworben."

Sie hat noch zwei freie Plätze. Das Problem: Die Ausbildung von Nachwuchskräften kommt dem rasch wachsenden Bedarf nicht hinterher. Carsten Mai, Schulleiter der Berufsschule für Altenpflege des Rauhen Hauses, meldet 25 bis 30 Prozent weniger Bewerber als im Vorjahr. An allen sechs privaten Berufsschulen für Altenpflege seien es im Schnitt mehr als 20 Prozent weniger Bewerber. Dennoch seien alle Ausbildungsplätze besetzt. Im Ausbildungsjahr 2008/09 gibt es insgesamt 624 Auszubildende in der Altenpflege und 169 als Gesundheits- und Pflegeassistent. Auch die Altenpflegeschule der Hospitanz zum Heiligen Geist hatte zunächst Probleme, ihren Ausbildungsjahrgang 2009 zu füllen. Zugute kam der Schule dann die Gesetzesänderung, nach der sich auch Menschen ohne Schulabschluss zum Pflegeassistenten ausbilden lassen können.

"Der Mangel wird eher größer als kleiner", sagt Horst Weise von Team Arbeit Hamburg. Weil die Menschen immer älter werden, rechnen Experten bis zum Jahr 2030 damit, dass die Zahl der über 60-Jährigen in Deutschland um acht Millionen steigen wird. Bis 2050 werden bundesweit 1,6 Millionen Vollzeitbeschäftigte in der Pflege gebraucht. "Es muss dringend gehandelt werden", so Gerald Melson. Behörden und Pflegegesellschaften haben daher das "Bündnis für Altenpflege" gestartet. Die Trägerverbände von Pflegeheimen in der Hamburgischen Pflegegesellschaft wollen den Anteil ausbildender Pflegeheime von derzeit 66 Prozent auf 75 Prozent erhöhen. Zurzeit bilden 97 von 147 Pflegeheimen aus, ab 2010/2011 sollen es mindestens 110 sein. So kommen zu den Ausbildungsplätzen, die regulär am 1. August gestartet sind, zusätzliche 25 Ausbildungsplätze im ambulanten Bereich mit Beginn am 1. Oktober hinzu. Um für ambulante Pflegeeinrichtungen einen Anreiz zu schaffen, noch nicht in eine Ausbildung vermittelte Schüler auszubilden, wird die Wirtschaftsbehörde 100 solcher Ausbildungsplätze für die dreijährige Ausbildungsdauer mit jeweils 450 Euro monatlich fördern.

Langfristig, so Jens Steppenbeck von der Hamburgischen Pflegegesellschaft, arbeite man daran, das Image des Berufs zu verbessern. "Es ist ein Beruf mit Aufstiegschancen." Ungelernte Kräfte mit oder ohne Schulabschluss könnten eine Ausbildung starten, den Realschulabschluss nachholen, Krankenschwester oder Altenpfleger werden und später sogar an der Fachhochschule studieren und in die Leitung gehen. Dass ausgerechnet Altenpflege so unpopulär ist, versteht Carsten Mai nicht: "Der Friseurberuf ist nicht weniger anstrengend und sogar schlechter bezahlt, aber trotzdem der Traumberuf vieler."