Bis 2013 werden sechs Milliarden Euro benötigt. So viel müsste es nicht sein, sagt die SPD und spricht von “Wahltaktik“.

Wie sich die Zeiten doch ändern. Keine zwei Jahre ist es her, dass Bürgermeister Ole von Beust und Finanzsenator Michael Freytag (beide CDU) ihren ersten ausgeglichenen Haushalt präsentierten. Stolz verkündeten sie die Rückzahlung der ersten Million - von 22 Milliarden Euro Schulden. Von Beust sprach von einem "ganz besonderen Tag für Hamburg", Freytag sonnt sich in dem "Befreiungsschlag". Es galt damals nur als Frage der Zeit, wann er den Bürgermeister im Amt beerben würde. Zur Geschichte dieses 31. Oktober 2007 gehört aber auch, dass die damals noch oppositionelle GAL von "Wahlkampfgetöse" sprach.

Gestern nun verkündete der Finanzsenator, dass er mit sechs Milliarden Euro bis 2013 die Neuverschuldung auf ein nie da gewesenes Niveau schrauben müsse. Nach Finanz- und HSH-Nordbank-Krise von politischen Ambitionen unfreiwillig befreit, räumte Freytag auch offen ein, dass die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben eigentlich sogar bei 7,7 Milliarden Euro liege. 1,7 Milliarden werde man aber den in guten Zeiten angelegten "Sparbüchern" entnehmen - allerdings erst für den Haushalt 2011/2012.

"Auf Freytags Sparbuch liegen nicht die Ersparnisse guter Jahre, sondern 500 Millionen Euro zu viel aufgenommener Schulden des Jahres 2006 und Erträge aus Vermögensverkäufen", kritisiert SPD-Finanzexperte Peter Tschentscher und verweist auf die Bürgerschaftswahl Anfang 2012. Dass das Geld erst 2011/2012 eingesetzt werden soll, sei "wahltaktische Finanzpolitik und kostet unnötig Zinsen". Der Senat nehme jetzt mehr Schulden als notwendig auf, um im Vorwahljahr 2011 und im Wahljahr 2012 besser dazustehen.

"Stimmt nicht", sagt GAL-Fraktionschef Jens Kerstan. In der Tat sei die Kreditaufnahme zunächst höher als die Steuerausfälle, was sich ab 2011 umkehre. Aber das habe technische Gründe: Nur die "Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" lasse so eine hohe Kreditaufnahme zu. Diese Störung werde aber 2011 nicht mehr gegeben sein. Würde man jetzt schon die 1,7 Milliarden Rücklagen einsetzen, gäbe es später kaum noch finanzpolitischen Spielraum. Mit anderen Worten: Jetzt darf der Senat exorbitant Schulden machen, in zwei Jahren nicht mehr - also nutzt er jetzt die Chance.

Kerstan verteidigte das Konzept, antizyklisch zu investieren: "Wir sorgen dafür, dass die Wirtschaftskrise nicht noch schlimmer wird." Das sei eine Lehre aus dem Beispiel Japan: Das Land hätte versucht, sich aus einer Krise herauszusparen, und habe 15 Jahre später immer noch Probleme. Der "Pfad der Konsolidierung" werde trotzdem nicht verlassen. Immerhin verpflichte sich der schwarz-grüne Senat, von 2015 an jährlich 100 Millionen der sechs Milliarden Euro zurückzuzahlen. Kerstan: "Das ist der Mindestbetrag, es kann auch mehr sein." Solche Ankündigungen hätte Willfried Maier, Kerstans Vorgänger als GAL-Finanzexperte, 2007 wohl als "Wahlkampfgetöse" abgetan.

Schnell überprüfbar ist hingegen das Ziel, die Zinsen für die neuen Schulden - allein bis 2012 sind es knapp 500 Millionen Euro - in den laufenden Haushalten einzusparen. Wie das geht, will der Senat Ende Oktober auf einer Klausur besprechen - nach der Bundestagswahl.

Nach Meinung der Linkspartei sollten die Sparbemühungen Grenzen haben. "Dass der Senat in dieser schwierigen Wirtschaftslage auf Sparpolitik und den weiteren Verkauf städtischen Eigentums verzichten will, findet unsere Zustimmung", sagte Finanzexperte Joachim Bischoff. Zwar unternehme Schwarz-Grün viel zu wenig, um den Krisenprozess aktiv zu bekämpfen. Aber es mache keinen Sinn, sich aus der schwersten Wirtschaftskrise seit 70 Jahren heraus sparen zu wollen.

Ein Lob für die CDU von der Linkspartei - wie sich die Zeiten doch ändern.