Die Weitergabe eines Beruhigungsmittels durch die Schüler könnte strafrechtliche Konsequenzen haben.

Hamburg. Die von der Lebenshilfe Schenefeld organisierte Reise einer Behindertengruppe nach Spanien, bei der lediglich zwei 20 Jahre alte Abiturienten als ständige Begleiter mitgeschickt wurden, könnte möglicherweise strafrechtliche Folgen haben. Grund ist die Weitergabe des verschreibungspflichtigen Beruhigungsmittels Tavor, das die beiden von einer Betreuerin erhielten. "Das Verhalten verstößt eindeutig gegen das Betäubungsmittelgesetz, nachdem nur Ärzte das Medikament zum unmittelbaren Verbrauch verabreichen dürfen", sagt der Hamburger Medizinrechtler Jens-Arne Reumschüssel.

Wie gestern berichtet, hatten Vincent Bork und Matthias L. im Juni vier behinderte Erwachsene zu einer einwöchigen Reise nach Spanien begleitet. Sie waren nach ihren Angaben die meiste Zeit bei der Betreuung der Gruppe auf sich allein gestellt. Kurz vor dem Abflug hatten die beiden von der Betreuerin eines mitreisenden Autisten Tavor als Bedarfsmedikament überreicht bekommen - mit dem Hinweis, ein bis zwei Tabletten "bei lautem Geschrei und Schlägen auf den Kopf" zu verabreichen. Diese Weitergabe, so Anwalt Reumschüssel, sei ein strafbares Verhalten. Die beiden jungen Männer dagegen hätten sich korrekt verhalten, weil sie das Beruhigungsmittel nicht verabreichten.

Die Begleiter, die über keine Erfahrung mit Behinderten verfügen, werfen der Lebenshilfe vor, sie hintergangen zu haben. Statt eines einfachen Begleitungsjobs - den sie erwartet hatten -, mussten sie die Behinderten, darunter zwei Autisten, rund um die Uhr betreuen. Auch die umfassende Körperpflege gehörte dazu. "Das hat uns völlig überfordert", so Vincent Bork.

Holger Lankau, Leiter des Fachdienstes Soziales im Kreis Pinneberg, ist im Rahmen der sogenannten Eingliederungshilfe für Behinderte zuständig. Er will nun Kontakt zur Lebenshilfe aufnehmen. "Wir werden uns den Sachverhalt erklären lassen", sagt er. "Wir wollen dabei herausfinden, ob Hilfeempfänger von uns darunter sind." Sollte das der Fall sein, müsse geprüft werden, ob die Leistungen, die der Kreis bezahlt habe, auch in einer entsprechenden Qualität erbracht worden seien.

Die Geschäftsführerin der Lebenshilfe Schenefeld, Christa Lewon, wollte sich trotz mehrfacher Nachfrage gestern nicht zu den Vorwürfen äußern. Margret Piel hingegen, die mit ihrem Mann während der Reise der Gruppe in der Nachbarschaft Urlaub machte, sagte dem Abendblatt: "Wir waren jederzeit ansprechbar. Die Jungs haben uns nicht gesagt, dass sie überfordert sind. Wir hätten ihnen die Behinderten auch mal abgenommen", sagt Margret Piel. Sie gibt allerdings zu, während der Zeit keine pflegerischen Aufgaben übernommen zu haben. Die Eheleute Piel sind Gründungsmitglieder der Lebenshilfe Schenefeld. Margret Piel gibt an, mit ihrem Mann insgesamt 80 Stunden im Einsatz gewesen zu sein. "Das ist nicht wahr", behaupten dagegen die beiden jungen Männer, die sich vielmehr häufig alleingelassen mit Aufsicht der Behinderten fühlten.

Margret Piel hält die Qualifikation der Abiturienten dagegen für ausreichend. "Das waren doch mal Zivis, das reicht uns." Bei solchen Reisen würden häufig Zivildienstleistende oder Studenten mitfahren.

Der Vater einer Mitreisenden, Arnold B., war allerdings davon ausgegangen, dass die Begleiter seiner behinderten Tochter Heide (Name geändert) "pflegekundig" waren. "Ich wäre von der Lebenshilfe gerne darüber aufgeklärt worden, dass die beiden Männer unerfahren waren."