Zunächst wiegelte Jochen Lattmann noch ab. Er hielt im Büro des Quickborner Bürgermeisters allein die Stellung. Sein Chef war unterwegs in Niedersachsen.

Als Referent auf einer Tagung, Thema seines Vortrags: die kommunale Finanzpolitik. Das passt, denn in Thomas Köppls Gemeinde wird dieser Tage ja auf ungewöhnliche Weise der Haushalt bestritten. Statt bei den Banken leiht sich Quickborn bei Privatleuten Geld - und zahlt es nach einem Jahr mit Zinsen zurück. "Seit gestern früh steht das Telefon nicht mehr still", sagt Lattmann. Bei ihm laufen die Anfragen der Journalisten an. Gestern vertröstete er beinah alle - "nur der Bürgermeister selbst gibt Interviews".

Dann darf Lattmann aber doch selbst die sagenhafte Geschichte erzählen, im Zimmer des Bürgermeisters, zusammen mit Stadtkämmerin Meike Wölfel. An den Wänden hängt Ethno-Kunst, und hinter dem Schreibtisch des CDU-Bürgermeisters Köppl liegt unter Glas eine alte kostbare Ausgabe der Bibel.

Stolz können Lattmann und Wölfel vermelden, dass inzwischen Anträge für Einlagen in Höhe von zweieinhalb Millionen Euro eingegangen sind. Wölfel hatte den ganzen Tag über den Hörer in der Hand - und musste einmal ganz gehörig schlucken. Das war um 10 Uhr vormittags, als ein Anrufer gleich eine Million Euro loswerden wollte. Für ein Jahr natürlich nur, und nach dessen Ablauf bekommt er dann sogar 30 000 Euro mehr zurück - dank des Zinssatzes in Höhe von drei Prozent. "Er kommt nicht aus Quickborn", sagt Wölfel über den "Kunden". So muss man das ja jetzt wohl nennen - denn die Bürger haben zur Gemeinde eine Beziehung wie zu einem Kreditinstitut. Manche Anrufer, erzählt Wölfel, hätten Redebedarf: "Die entschuldigen sich fast dafür, dass sie uns ihr Geld leihen."

Wölfel arbeitet seit 1998 in der Gemeindeverwaltung. Das Rathaus des 20 000-Einwohner-Ortes ist ein schmuckloser Bau aus dem Jahr 1979. An der Hauswand rankt Efeu, auf dem Vorplatz wehen Flaggen ("Quickborn - Metropolregion"), außerdem sprudelt ein Brunnen - so wie jetzt wieder das Geld in Quickborns Kassen sprudelt. Nur die Hälfte derer, die der durch hohe Steuerausfälle und eine teure Schulbausanierung finanziell in Schieflage geratenen Gemeinde jetzt helfen, kommt aus Quickborn.

Auf Wölfels Schreibtisch steht eine altmodische Rechenmaschine, im Aktenschank stapeln sich Ordner. Hier wird verwaltet, seriös und genau. Die Stadtkämmerin spricht nicht von den aufregendsten Tagen ihres Berufslebens, dafür ist sie ein zu nüchterner Zahlenmensch.

Bereits im März hat sie sich im Kieler Innenministerium abgesichert, erzählt sie. "Dort hatte man keine rechtlichen Bedenken." Trotzdem muss sie einen Bericht schreiben. Andere Kommunen haben sich in Quickborn übrigens noch nicht gemeldet, und auch die Quickborner werden ihre Geld-Akquise irgendwann beenden. Nämlich spätestens, wenn sie vier Millionen Euro zusammen haben. "Das ist rechtlich vorgeschrieben, wir wollen mit der Bürgeranleihe nur kurzfristig die Liquidität gewährleisten und keineswegs neue, bislang ungeplante Projekte anschieben."