Tradition und Moderne, Jung und Alt, Wohnen und Weggehen - die Grelckstraße vereint viele Gegensätze. Vanessa Seifert (Text) und Marcelo Hernandez (Fotos) sind durch die Straße geschlendert, haben mit den Bewohnern gesprochen. Und mit Besuchern, die aus Eppendorf oder Blankenese nach Lokstedt kommen - “weil es hier so herrlich normal ist“.

Sie tue es auch für Opa August. Für ihren Großvater, der in diesem Haus einst den Kaffeegarten Hintze führte. Vor mehr als 100 Jahren. Als die Grelckstraße noch Königstraße hieß und Lokstedt noch bei Hamburg lag. "Ich habe immer davon geträumt, hier irgendwann wieder ein kleines Café zu eröffnen", sagt Gabriele Midgley. Vor vier Wochen hat sie es getan. Hat ihren gut bezahlten Job bei einer Mineralölfirma gekündigt, um jetzt gefüllten Butterkuchen und frischen Kaffee in ihrem Hintze's zu servieren. Unten in jenem weiß getünchten Häuschen, in dem sie oben geboren wurde. Vor 55 Jahren. "Vom ersten Tag an hat sich mein Leben in dieser Straße abgespielt."

An den Wänden im Café hängen Porzellanteller aus Großmutters Zeiten und Schwarz-Weiß-Fotos, die Großvater August Hintze zeigen. Das Geschäft laufe gut an, sagt Gabriele Midgley, während sie einem kleinen Jungen zwei Kugeln Eis verkauft. "Die Leute mögen die Mischung aus Nostalgie und Moderne." Ihr Laden sei keine Kaffeekette ohne Seele, sondern ein Café mit Herz. Oder wie der Bauarbeiter im Blaumann, der sich ein belegtes Brötchen kauft, sagt: "Hier wird man noch richtig bedient."

Genau wie in Haus Nummer 3, wo es Anke Schumann seit knapp drei Jahren "Großartig" geht - denn so heißt ihr Laden. 15 000 Spielwaren auf 50 Quadratmetern - vom Hello-Kitty-Kaugummi für 20 Cent bis zum Schulranzen für 215 Euro. Etwa 60 junge Kunden geben hier täglich ein bisschen Taschengeld aus. "Die Mamas werden gern auf der Bank draußen geparkt, während die Kleinen einkaufen", sagt die 47-Jährige. Es sei denn, die Kunden sind so jung wie Carla (1). "Wir kommen mindestens einmal in der Woche in die Grelckstraße", sagt ihre Mutter Tanja Torregrossa (38) aus Eppendorf. "Hier ist es herrlich normal."

Ihre Kundschaft reise sogar aus Blankenese an, sagt die zweifache Mutter Anke Schumann. "Denn bei mir darf jede Puppe und jedes kleine Auto angefasst werden. Und wenn ich einen Wunschartikel nicht habe, dann bestelle ich ihn eben."

Vor dem Eingang warten zwei Wippetiere, die der Bezirk Eimsbüttel in der verkehrsberuhigten Grelckstraße aufgestellt hat. Eine Attraktion für die jüngsten Bewohner von Lokstedt, wo 15 Prozent der insgesamt 25 000 Einwohner jünger als 18 Jahre alt sind. Und knapp 20 Prozent älter als 65 Jahre.

Wie Werner Burmester (72) und Gerhard Köhler (70). Immer mittwochs treffen sich die beiden Freunde. Immer gegen 12 Uhr, immer auf dem Wochenmarkt. "Dann gibt es einen Pott Kaffee, eine Wurst und ein gutes Gespräch." Burmester, ein pensionierter Plakateur, ist unweit der Grelckstraße auf die Welt gekommen. "Ich bin das, was man ein Lokstedter Urgestein nennt", sagt er, und seine Stimme klingt ein bisschen stolz. Da komme er nicht mit, gibt sein Freund Gerhard zu. Er wohne erst seit 15 Jahren hier. "Wir leben mitten in der Großstadt auf dem Dorf", sagen die beiden und prosten sich an dem kleinen Holztisch mit ihren roten Hamburg-Tassen zu. "Man kennt sich, man schätzt sich - so ist das hier." Hier, in dieser knapp 500 Meter langen Straße, die von dem Rot der Klinkerbauten geprägt ist und von dem Grün der Eichen, Kastanien, Hainbuchen und Linden.

Ein paar Meter weiter am Marktstand, wo die Familie Mojen aus Jork Obst aus dem Alten Land verkauft, kennt man sich ebenfalls. "Die beiden sind Stammkunden", sagt Verkäuferin Gabriele, während sie ein paar Weinbergpfirsiche für Sonja Koch (36) und ihren Sohn Lennert (20 Monate) eintütet. "Wir wohnen seit sieben Jahren in der Gegend", sagt Sonja Koch. "Die Grelckstraße bietet alles - Ärzte, Apotheken, Kitas, einen guten Italiener. Und etwas fürs Auge - wie den schönen Blumenladen."

Der heißt "Magnolia", die Inhaberin Marina Carstens (47) und die Adresse Grelckstraße 17a. Vor vier Jahren habe sie die Straße noch gar nicht gekannt, sagt Floristenmeisterin Carstens. "Bis mir eine Freundin sagte: Eröffne dort deinen Laden, das ist eine nette Gegend."

Auf der anderen Straßenseite, vor der weinroten Fassade des frisch renovierten Cafés Horn, frühstücken Alexandra Richter (43) und Anja Göppel (38) mit ihren Kindern. Es gibt Brötchen, die hier "Lokstedter" und "Dorfkrüstchen" heißen. Für Kinder sei die Straße perfekt.

Für die bietet Gabriele Midgley im Hintze's demnächst auch Cookies an. Natürlich werde es aber weiterhin Kuchen und Brote nach Rezepten geben, die wahrscheinlich schon ihr Großvater gekannt hat. Schließlich tue sie alles auch für Opa August.

Die nächsten Folgen:

Montag, 27. Juli: Ditmar-Koel-Straße (Neustadt)

Mittwoch, 29. Juli: Große Brunnenstraße (Ottensen)

Freitag, 31. Juli: Roonstraße (Hoheluft)

Eine interaktive Stadtkarte und mehr Fotos finden Sie unter www.abendblatt.de/hierbeimir