In Hamburg werden die gefährlichsten Erreger erforscht. Mit dem 30-Millionen-Euro-Neubau können die Wissenschaftler von morgen an noch schneller als bisher lebensrettende Ergebnisse erzielen.

Hamburg. Wenn Bürgermeister Ole von Beust und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt sich treffen, um ein Gebäude einzuweihen, muss es etwas außergewöhnlich sein. Ist es auch: Morgen wird das neue Laborgebäude des Bernhard-Nocht-Instituts (BNI) in Hamburg-St. Pauli eröffnet. Damit erhalten die etwa 90 Wissenschaftler des weltweit renommierten Spitzeninstituts, das zu den Leuchttürmen auf dem Gebiet der Tropenmedizin zählt, modernste Arbeitsbedingungen - und mit 5000 Quadratmetern auch viel Platz.

"Auf 3000 Quadratmetern stehen jetzt Top-Labore, in denen wir innovativste Forschung betreiben können und noch schneller lebensrettende Ergebnisse erzielen werden", sagt Prof. Bernhard Fleischer, Mitglied des Vorstands des BNI, das deutsches Kompetenzzentrum für tropentypische Erkrankungen und seltene Infektionen ist. "Mit dem Neubau werden wir auch im internationalen Vergleich, also zum NIH in den USA, zu den Laboren in Shanghai und Peking, in Paris, London oder Rotterdam, konkurrenzfähig bleiben."

Zu den herausragenden wissenschaftlichen Leistungen des Instituts zählen die Identifizierung des SARS-Coronavirus 2003, die Entdeckung eines bisher unbekannten, frühen Blut-Stadiums der Malaria-Erreger 2006, die Entwicklung einer neuen Therapie bei Flussblindheit 2000. Unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen können die Forscher nun weitere Tricks der Krankheitserreger entschlüsseln und so die Basis für neue Therapien legen, "um die Tropenkrankheiten zu bekämpfen und zu kontrollieren".

Der Sicherheitsgedanke muss auch die Architektin inspiriert haben. Sie verordnete dem 30 Millionen Euro teuren Gebäude schmale Fenster, die den roten Backsteinbau wie Bänder durchziehen. In die Sicherheitslabor- und Büroräume gelangt bei typischem Hamburger Schmuddelwetter so nur wenig Licht, wie wir auf dem Rundgang feststellen. Das Defizit macht ein ausgeklügeltes Beleuchtungssystem wett, das auch die langen Flure angenehm taghell erleuchtet. Es wird durch Bewegungsmelder gesteuert.

Das Herzstück des neuen Gebäudes, dessen 800 Quadratmeter große Fundamentplatte auf 32, tief in den Untergrund gerammten Betonsäulen ruht, liegt allerdings im Inneren des Gebäudes. Denn neben 20 Laboren der Sicherheitsstufe S2 und fünf Laboren der Sicherheitsstufe S3 hat das BNI nun auch zwei Labore der höchsten Sicherheitsstufe S4. Nur hier dürfen die Wissenschaftler, nachdem sie sich wie Astronauten verkleidet haben, die gefährlichen Ebola-, Lassa-, Marburg- oder Krim-Kongo-Viren mit gentechnischen Methoden analysieren, um molekulare Ansatzpunkte für eine Therapie zu finden.

Irgendwie erinnern die neuen Hochsicherheitslabore, in denen die letzten Kabel verlegt und Anschlüsse geprüft werden, an großindustrielle Küchen. Wände, Tische, Schränke, Rohre - alles ist aus V2A-Stahl gefertigt, der wie bei einer Konservendose präzise verschweißt worden ist. Die Fenster haben die Form von Bullaugen. "Es sind F-90-Fenster. Sie halten also, wie auch die Wände, 90 Minuten Höllenfeuer aus, ohne zu bersten. Sie können dann das Glas sogar außen anfassen, ohne sich die Finger zu verbrennen", erläutert Bernhard Fleischer, begeistert von der innovativen Technik im Neubau. "Einen Brandherd würde eine automatische Hochdrucknebelsprühanlage sofort abtöten. Doch was sollte hier drinnen eigentlich brennen?"

Damit aus den Hochsicherheitslaboren nicht ein einziges Virus entweicht, wurde eine Hightech-Lüftungsanlage installiert, die gleich zweimal abgesichert ist. "Und selbst wenn Vattenfall keinen Strom liefert, wir haben Strom, um die Belüftungen und den Unterdruck in den Laboren langfristig aufrechtzuerhalten", sagt Bernhard Fleischer und spielt damit auf Stromausfall an. Dabei ist das Notstromaggregat noch durch ein zweites Aggregat abgesichert - die ganze Sicherheitstechnik gibt es immer im Doppelpack. Und die Überwachungskameras beobachten jeden und alles. "Das ist auch deshalb nötig, damit wir jederzeit einem Mitarbeiter zu Hilfe kommen können, falls er diese braucht", sagt Fleischer.

Der Zugang wird nur mit spezieller Erlaubnis möglich sein und nach einer aufwendigen Prozedur: ausziehen, umziehen, desinfizieren, einschleusen. "In diese Schleuse sollten Sie später nicht mehr ohne Schutzanzug gehen. Hier rieselt später Per-Essigsäure, die macht Sie zum Skelett", warnt Bernhard Fleischer, während er durch das Bullauge in das S4-Labor guckt.

In dem alten Fritz-Schumacher-Gebäude, das trotz des Charmes der 1910er-Jahre modernsten Sicherheitsvorschriften entspricht, wird das bisher genutzte Hochsicherheitslabor geschlossen, wie auch die Tierhaltung. Diese wurde, "nach den strengsten Anforderungen des Tierschutzes gebaut", im Neubau untergebracht.

Wenn nach vier Jahren Bauzeit das BNI, ein Institut der Leibniz-Gemeinschaft, endlich seine wissenschaftliche Kompetenz voll zur Geltung bringen kann, wird es noch attraktiver für die führenden Köpfe in der Wissenschaft. Gegenwärtig forschen am BNI Gastwissenschaftler aus Nigeria, Ghana, Madagaskar, Mexiko, Guatemala, USA, Ägypten, Costa Rica, England und der Schweiz. Mit dem Neubau ist das BNI auf dem Weg, eine kleine Forschungs-Uno zu werden.