Derzeit werden über 200 Patienten stationär behandelt, davon 59 mit HU-Syndrom

Hamburg. In den Hamburger Krankenhäusern werden zurzeit mehr als 200 Patienten stationär behandelt, davon 59 Patienten mit HU-Syndrom oder Verdacht darauf. Das Hämolytisch-urämische Syndrom ist die schwere Komplikation der EHEC-Infektion mit der Gefahr eines Nierenversagens. Bereits am Sonnabend, als sich eine Infektionswelle größeren Ausmaßes abzeichnete, haben sich die Kliniken in Krisensitzungen darauf vorbereitet. Beim HU-Syndrom gilt es als entscheidend, dass ausreichend Geräte zur Dialyse (Blutwäsche) und Plasmapherese (Austausch von Plasmabestandteilen des Blutes) sowie entsprechend qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Dr. Karl Wagner, Chefarzt der Abteilung für Nephrologie (Nierenheilkunde) an der Asklepios-Klinik Barmbek: "Doch genau dort könnten Engpässe entstehen, wenn die Zahl der Patienten weiter zunimmt." Dann müsse auf Nierenzentren außerhalb Hamburgs ausgewichen werden, um die bei HUS notwendige Blutwäsche durchführen zu können. Aber: Die Universitätsklinik Lübeck meldet bereits, keine Kapazitäten mehr zu haben.

Prof. Jörg Debatin, der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) sagt: "Das ist die größte Herausforderung für die Ressourcen des UKE, seitdem ich hier Direktor bin, also seit sieben Jahren." Ausreichend Plasmareserven und Dialysegeräte seien zwar vorhanden, es gebe aber "nicht unendlich Fachkräfte". Deshalb sei ein EHEC-Stab mit 18 Mitarbeitern eingerichtet und anderes Personal umverteilt worden. Auch einige Patienten mussten umziehen, um Platz für eine separate EHEC-Station mit 28 Betten zu haben. Außerdem gibt es eine Intensivstation mit zwölf Betten. Dort werden die schweren Fälle mit HU-Syndrom versorgt. Insgesamt zählten die Ärzte allein im UKE gestern 33 erwachsene Patienten mit HUS und 14 erkrankte Kinder. Neun Erwachsene und sechs Kinder liegen auf der Intensivstation. Die Aufnahme neuer EHEC-Patienten wurde inzwischen gesondert organisiert. Alle Verdachtsfälle werden jetzt im Pavillon neben dem ehemaligen Hubschrauberlandeplatz untersucht, der schon während der Schweinegrippe als Anlaufpunkt diente. Das UKE sei vorbereitet, auch wenn der Ansturm nicht - wie erhofft - schnell nachlasse, sagte Debatin. Zwei Patienten konnten gestern schon entlassen werden, für andere ist dagegen die Lage sehr ernst. "Wir müssen damit rechnen, dass wir Patienten verlieren werden", sagte Klinikdirektor und Nierenexperte Rolf Stahl, der die HUS-Patienten betreut.

Auch Karl Wagner, Nierenfacharzt an der Asklepios-Klinik Barmbek, beurteilt die Lage ernst. "Das ist die größte HUS-Welle, die es je in Deutschland gab", so seine Einschätzung. "Das Gefährliche ist auch, dass es ein seltener Keim ist und die Erkrankung mit den bisher bekannten Verläufen nichts zu tun hat." Ungewöhnlich ist, dass 80 bis 90 Prozent Erwachsene betroffen sind, dabei Frauen stärker als Männer und mit oft schwerem Krankheitsverlauf. Dr. Wagner hat auf die steigenden Fallzahlen vor allem bei HUS schnell reagiert. "Wir haben für unsere 15 HUS-Patienten neun Plasmapheresegeräte, am Montag bekommen wir noch sechs dazu und für weitere zehn haben wir Zusagen", sagt Wagner. Ab Sonnabend bekommt Wagner täglich zwei weitere Dialysefachkräfte, doch irgendwann, so sagt er, seien die Kapazitäten erschöpft. Dann müsse man an organisierte Verlegungen auch außerhalb Hamburgs denken.

Auch im Marienkrankenhaus sind Vorkehrungen getroffen worden für eine Ausweitung der Epidemie. Der leitende Arzt des Zentrums für Notfall- und Akutmedizin, Michael Wünning, berichtet: "Das Personal wurde aufgestockt, und wir haben einen isolierten Untersuchungsbereich mit erfahrenen Ärzten und Pflegekräften eingerichtet." Bei Bedarf könnten weitere Isolierräume eingerichtet und die Intensivstation könne ausgeweitet werden. Dialysekapazitäten gebe es allerdings nicht mehr. Hamburgs Kliniken könnten bald an ihre Grenzen stoßen, wenn die EHEC-Epidemie wächst.