Neue Klimaschutzauflagen verursachen bei den Stahl-, Kupfer- und Aluminiumwerken Zusatzkosten in Millionenhöhe. Sorge um Arbeitsplätze.

Hamburg. In Hamburgs Schwerindustrie wachsen die Sorgen um die Arbeitsplätze. Denn durch den umweltpolitischen Kurs der EU steht die Branche im kommenden Jahr vor hohen Kostensteigerungen. Hintergrund sind die schärferen Auflagen Brüssels für Firmen, bei deren Produktion Kohlendioxid (CO2) frei wird. Sie müssen künftig deutlich mehr Zertifikate kaufen, durch deren Einnahmen der Ausstoß des Klimagases kompensiert werden soll. Nach ersten Schätzungen könnten auf Hamburgs Industrie insgesamt Kosten in zweistelliger Millionenhöhe zukommen.

"Die Emissionen zu verringern ist sicher richtig", räumt Lutz Bandusch, Chef des Hamburger Stahlwerks von ArcelorMittal, ein. Doch das Interesse an "grünem Stahl", der umweltfreundlich hergestellt wird, sei bei den Kunden noch immer begrenzt. "Wir können damit auf dem Weltmarkt jedenfalls keine höheren Preise erzielen als andere Anbieter", sagt er. Kritik kommt auch von Peter Willbrandt, Vorstandschef von Europas größter Kupferhütte Aurubis. Er verweist auf zusätzlichen Verwaltungsaufwand. "Es bleibt festzustellen", so der Manager, "dass sowohl auf europäischer als auch deutscher Ebene die Regularien und deren spezifische Kosten immer weiter zunehmen."

Betroffen von der Neuregelung sind in Hamburg nicht nur die 600 Mitarbeiter bei ArcelorMittal und die 2200 bei der Kupferhütte Aurubis, sondern auch Trimet, das in der Hansestadt Aluminium herstellt. Alle sind in den Handel mit CO2-Zertifikaten einbezogen. Dort dürfte sich der europaweit höhere Bedarf an Zertifikaten rasch auf ihren Preis auswirken, glaubt Bandusch. Er rechnet mit einem Sprung von derzeit sieben auf bis zu 30 Euro pro Tonne erzeugtem CO2. Für das Stahlwerk würden sich daraus Zusatzkosten von mehr als drei Millionen Euro ergeben.

Die Summe setzt sich aus zwei verschiedenen Berechnungen zusammen. Die erste betrifft die Produktion. Hier müssen Zertifikate zugekauft werden, wenn ein bisher erreichter Durchschnittswert übertroffen und mehr CO2 ausgestoßen wird, als beim besten Hersteller der Branche entstehen. So wird die modernste Technologie zum Gradmesser. Das ist eigentlich keine schlechte Regelung für das Hamburger Stahlwerk. "Denn wir liegen beim CO2-Ausstoß um 40 Prozent besser als der Bundesschnitt", sagt Bandusch. Nützen tut ihm das allerdings wenig.

Denn die EU vergleicht Hamburg mit Werken, in denen allein Schrott geschmolzen und nicht wie in der Hansestadt auch Eisenerz als Rohstoff verarbeitet wird, was den CO2-Ausstoß erhöht. "Mit dieser Einordnung schneiden wir nun um 20 Prozent schlechter ab als der beste Konkurrent, obwohl Hamburg der umweltfreundlichste Standort im weltgrößten Stahlkonzern ArcelorMittal ist", sagt der Metallurge. Bandusch wird zukaufen müssen. Er erwartet eine Million Euro Mehrkosten.

Der zweite Grund für den Anstieg der Produktionskosten ergibt sich aus einer Neuregelung für Kraftwerke. Sie sind von 2013 an nicht mehr vom Kauf von CO2-Zertifikaten ausgenommen. "Bei einem Preis von 30 Euro für ein Zertifikat wird sich der Preis für eine Megawattstunde (eine Million Kilowattstunden) um etwa 15 Euro erhöhen", erwartet Bandusch. Zwar hat die EU angekündigt, dass ihre Mitgliedstaaten im Welthandel stehenden Firmen 85 Prozent dieser Preissteigerung ersetzen können. Für die Industrie blieben aber in diesem Rechenbeispiel 2,25 Euro pro Megawattstunde zu schultern. Für das Stahlwerk ergibt sich bei einem Verbrauch von einer Million Megawattstunden eine jährliche Belastung von 2,25 Millionen Euro.

Eine ungerechte Einordnung der Hamburger Aluminiumproduktion durch die EU beklagt auch MartinIffert, der Vorstandsvorsitzende der Trimet Aluminium AG. So erhalte er deutlich weniger Zertifikate kostenlos als der Kapazität angemessen sei. Denn 2005 hatten die Vorbesitzer, NorskHydro, Alcoa und Amag, die Produktion vor dem Einstieg von Trimet eingestellt, und 2008/09 litt das Werk - wie die gesamte Branche - unter der Krise. "Jetzt wird unsere Produktion deutlich geringer bewertet als angebracht, was zusätzliche Zertifikate erfordert und die Kosten stärker als angemessen erhöht", sagt Iffert. Härtefälle wie diese müsse die EU beachten, um Jobs und Investitionen zu sichern, fordert der Manager. Immerhin sind im Hamburger Werk von Trimet 300 Menschen tätig. Für ihre Produktion befürchtet der Manager noch höhere Zusatzkosten als Bandusch. "Es könnten mehr als 20 Millionen Euro pro Jahr werden."

Solchen Kosten kann die Industrie nur schwer gegensteuern. Denn Innovationen, mit denen sich höhere Preise erzielen lassen, brauchen Zeit. "Bei uns forschen 50 Metallurgen an neuen Aluminiumlegierungen für die Autoindustrie", sagt Iffert. Auch Bandusch will in Hamburg bis 2016 die letzten zehn Prozent seiner Fertigung auf hochwertigen Stahl umstellen und hat schon jetzt erste Aufträge für die anspruchsvolle Schraubenindustrie gebucht.

Doch die schwache Konjunktur in der EU außerhalb von Deutschland bringt mit dem schwindenden Bedarf und Überkapazitäten die Preise unter Druck. "Wir haben zwischen 2008 und 2011 rund 35 Millionen Euro in Hamburg investiert und werden auch in diesem Jahr acht Millionen ins Werk stecken", versichert der Stahlwerk-Chef. Nach den kostendeckenden Abschlüssen 2010 und 2011 sollen so 2016 rund zehn Millionen Euro Gewinn möglich werden. Doch zunächst muss das Stahlwerk die höheren Kosten für die Zertifikate schultern. Ob ArcelorMittal so in zehn Jahren noch in Hamburg produzieren wird, hält Bandusch für nicht entschieden.

Klar ist: Wird die Produktion in der EU weiter teurer, werden Länder wie Indien oder China weiter zulegen. So wurden allein gestern im Reich der Mitte Grundsteine für zwei Stahlwerke gelegt, die mit 20 Millionen Tonnen künftig allein auf die Hälfte der deutschen Kapazität kommen werden. Gerade Staaten wie China und Indien fühlen sich aber nicht an das Klimaschutzabkommen von Kyoto gebunden und würden mehr Schadstoffe produzieren als deutsche oder europäische Anlagen. Dazu kämen wohl auch Folgen für die produzierende deutsche Industrie. "Ohne das Know-how über die Grundstoffe wird sie ihre führende Rolle nicht halten können", warnt Bandusch. "Wer meint, dies wäre allein mit Importen möglich, der irrt sich."