Die damaligen Ursachen für das Feuer an der Eimsbütteler Straße sind noch rätselhaft. Nach dem erneuten Brand mit drei Todesopfern stehen die Hausbewohner unter Schock. Unterdessen haben sich zahlreiche Zeugen gemeldet.

Hamburg. Als Erstes war da dieser Brandgeruch. Namik Babaev und seine Familie dachten zuerst, dieser käme aus der Küche. Doch dort war alles in Ordnung. Als der 38 Jahre alte Familienvater am Abend die Tür zum Hausflur öffnete, konnte er gar nichts mehr sehen. Das Treppenhaus war bereits schwarz und voller Qualm. „Es war schrecklich, überall war Rauch“, sagt Noorana Babaeva, die 19 Jahre alte Tochter.

Dass Vater Babaev nicht in den vollgequalmten Hausflur getreten ist, sondern gemeinsam mit seiner Frau und seinen drei Kindern im Kinderzimmer ihrer Wohnung in der zweiten Etage ausgeharrt und auf die Feuerwehr gewartet hatte, hat der Familie wohl das Leben gerettet. Einen Tag nach dem Feuer, bei dem eine Frau, 33, aus Pakistan und ihre beiden Söhne, 6 und 7, starben, ist die aus Aserbaidschan stammende Familie Babaev zu dem Haus an der Eimsbütteler Straße 75, das einmal ihr Zuhause war, zurückgekehrt. Es riecht verkohlt, auf der Erde vor dem Haus liegen ein paar Tulpen, es brennt eine Kerze – vermutlich von Anwohnern dort hinterlegt.

„Wir saßen im Kinderzimmer und haben uns Tücher vor den Mund gehalten, weil der Qualm so beißend war“, sagt Noorana Babaeva. „Meine kleine Schwester hat geschrien vor Angst.“ Normalerweise wäre Noorana jetzt im Unterricht an der Kurt-Tucholsky-Stadtteilschule, wo sie in die 12. Klasse geht. Aber die Nacht war zu kurz, das Erlebte zu schockierend. An Lernen und Alltag ist nicht zu denken. Erst war die Rede von einem technischen Defekt als Brandursache, und nun ermittelt die Polizei wegen Brandstiftung. Eine Sonderkommission der Polizei führt die Ermittlungen. Ein Polizeisprecher sagte: „Wir haben keine Hinweise auf eine fremdenfeindliche Motivation für diese Straftat.“

Nachdem die Feuerwehr ihre Familie und die meisten anderen Hausbewohner über Leitern aus den Fenstern gerettet hatte, mussten Noorana Babaeva, ihre Eltern und ihre Geschwister ins Kinderkrankenhaus nach Altona zur Untersuchung – alle hatten das Feuer unverletzt überstanden. Noorana hat noch eine Schwester, 9, und einen Bruder, 17. Da ihre Mutter Meherziban, 40, außerdem eine Lungenentzündung hat, ging es noch in der Nacht weiter zur Untersuchung ins Universitätsklinikum Eppendorf. Erst um drei Uhr am Morgen konnten sie bei einem Onkel in Steilshoop ein wenig Nachtruhe finden. „Unsere Kleidung, unsere Papiere, alles ist vom Löschwasser zerstört“, sagt Vater Namik. Immerhin: Die Babaevs sind in einer Notunterkunft untergebracht worden, die sie am Nachmittag beziehen konnten.

Inzwischen haben sich mehrere Zeugen bei der Polizei gemeldet. „Wir gehen zahlreichen Zeugenaussagen nach“, sagte eine Polizeisprecherin am Freitagmorgen. Diese würden derzeit ausgewertet. Zudem würden die am Brandort sichergestellten Gegenstände kriminaltechnisch untersucht – auch auf Brandbeschleuniger. „Die Untersuchungen laufen noch“, sagte die Sprecherin.

Haus soll wieder bewohnbar werden

In dem Brandhaus, einem grünen und etwas heruntergekommenen Mehrfamilienhaus mit elf Wohnungen, waren nach Angaben des Trägers „Fördern und Wohnen“ insgesamt 46 Menschen, Asylbewerber und Flüchtlinge mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus, untergebracht. „Fördern und Wohnen“ hat das Haus seit 2010 von dem privaten Eigentümer angemietet, ebenso die Häuser im Hinterhof, sodass es an der Eimsbütteler Straße insgesamt 129 Wohnplätze für Flüchtlinge gibt. In den Jahren zuvor hatte der Bezirk Altona das Haus ebenfalls für die Unterbringung von Flüchtlingen angemietet. Schon einmal hatte es dort gebrannt. Über die Ursache damals konnte die Sprecherin des Bezirksamtes Altona keine Angaben machen.

Da das Haus momentan nicht bewohnbar ist, mussten schnell andere Wohnräume für die Bewohner gefunden werden. Das hat geklappt: „Wir haben alle Bewohner in andere Unterkünfte unterbringen können“, sagt Christiane Schröder, Sprecherin von „Fördern und Wohnen“. Sie geht davon aus, dass die Wohnungen nach der Sanierung des Hausflures wieder bewohnbar sind. Zwei Mitarbeiter von „Fördern und Wohnen“ betreuen die Bewohner an der Eimsbütteler Straße, machen regelmäßig Hausbesuche.

Am Abend des Feuers waren zahlreiche Bewohner im Haus. 27 von ihnen wurden nach Angaben der Polizei verletzt. 15 kamen ins Krankenhaus, die meisten von ihnen sind wieder entlassen. Für die beiden Jungen, die die Rettungssanitäter leblos aus dem Haus getragen hatten, und für ihre Mutter konnten die Notärzte nichts mehr tun. Der Ehemann und Vater der Toten kam während der Löscharbeiten zum Brandort. Er war zum Zeitpunkt des Feuers nicht in der Wohnung gewesen.

Viele Mitschüler weinten

Die beiden verstorbenen Jungen Rahman und sein jüngerer Bruder Daniel waren nur ein paar Schritte entfernt in die Vorschule und in die erste Klasse der Grundschule Arnkielstraße gegangen. Lehrer, Mitschüler und Eltern dort sind tief betroffen, viele haben am Morgen in der Schule geweint. „Es hat sie heftig erwischt“, sagt Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde. Ein Kriseninterventionsteam war schon am Donnerstagmorgen in der Schule, um Hilfe anzubieten. Die Psychologen werden auch in der nächsten Zeit bereitstehen, denn häufig zeigen sich Schock und Trauer bei Kindern erst Tage nach einem so schrecklichen Ereignis.

Fanny Dethloff, die Beauftragte für Migrations-, Asyl- und Menschenrechtsfragen der Nordelbischen Kirche wird am Freitagmorgen um 9.30 Uhr am Unglücksort der Toten gedenken. „Als Flüchtlingsbeauftragte bin ich entsetzt und erschüttert über die toten Flüchtlinge“, sagt sie. Und auch den Nachbarn an der Eimsbütteler Straße geht die Tragödie sehr nah. „Wir haben mit denen nie Probleme gehabt, die Unterkunft war gar kein Thema“, sagt Nachbar Günther von der Heide, 66. „Ich bin sehr schockiert.“ Pastorin Vanessa von der Lieht von der Kirchengemeinde Altona-Ost, ist gleich am Morgen vorbeigekommen und hat Tulpen vor dem Haus niederlegt. „Ich kenne die Bewohner nicht persönlich, aber ich wohne hier in der Straße.“

Feuerwehr gibt Tipps gegen Panik

Besonders bitter ist die Erkenntnis, dass vermutlich Panikreaktionen die Tragödie mitverursacht haben. „Durch ein bereits stark verqualmtes Treppenhaus zu flüchten ist fast unmöglich“, sagt Feuerwehrsprecher Martin Schneider. Versuche der Feuerwehrakademie ergaben, dass man selbst aus einer Wohnung im ersten Stock kaum eine Chance hat, den Ausgang unverletzt zu erreichen.

Die Feuerwehr rät daher, in solchen Fällen in der Wohnung zu bleiben, statt eine Flucht zu versuchen. „Man sollte mit nassen Handtüchern und Decken Türschlitze abdecken“, sagt Schneider. Eine durchschnittliche Wohnungstür halte 20 Minuten einem Feuer oder auch einem Hitzestau stand. „Dringt Rauch in die Wohnung ein, sollte man sich an das offene Fenster begeben und auf sich aufmerksam machen.“ In der Eimsbütteler Straße trafen die ersten Einsatzkräfte am Mittwochabend nach vier Minuten ein, weitere vier Minuten später waren bereits 38 Helfer vor Ort.

Als am Donnerstag Brandermittler den Tatort untersuchten, waren sie auch in einer Wohnung, bei der die Eingangstür während des Feuers geschlossen geblieben war. Im Badezimmer hingen Handtücher. „Sie waren noch blütenweiß“, sagt eine Polizistin. Der gefährliche Rauch war nicht bis in das Badezimmer vorgedrungen.