Die Ansprüche werden immer größer. Schnitzeljagd und Topfschlagen reichen nicht. In Hamburg haben Anbieter den Trend erkannt und bieten Service für etwas ausgefallenere Nachmittage

Die Kopfhörer liegen bereit, der Sound ist eingepegelt und das Mikro an. Im Tonstudio an der Georg-Wilhelm-Straße ist alles vorbereitet, jetzt wartet der Tontechniker nur noch auf die Sängerinnen. Auf Lena, Finja, Sarah, Anna, Steffi, Alina und Corinna. Sie nennen sich „Crazy Chicks“ und wollen hier in wenigen Minuten ihre erste CD aufnehmen. Was nach dem Beginn einer neuen Girlband klingt, ist in Wirklichkeit ein Kindergeburtstag – und ein cleveres Geschäftskonzept, das dahintersteckt. Denn Singpoint veranstaltet seit fünf Jahren Kindergeburtstage in Tonstudios.

Castingshows feuern das Geschäft an

Hier können die Gäste eine CD aufnehmen, sich für das Cover fotografieren sowie Autogrammkarten und Starposter von sich erstellen lassen. „Der Hype um Castingshows wie ,Deutschland sucht den Superstar‘ hat bei uns zu einer großen Nachfrage geführt“, sagt Singpoint-Geschäftsführer Josip Rister, der die Idee zu dem ungewöhnlichen Geburtstagsevent hatte. „Wir haben schon länger mit Kindergärten zusammengearbeitet und dort CDs aufgenommen. Daraufhin sind wir von vielen Eltern angesprochen worden, die so etwas auch mit größeren Kindern machen wollten – und die Idee für die Kindergeburtstage war geboren.“

Inzwischen hat das Hamburger Unternehmen bundesweit 80 Tonstudios, vier davon in Hamburg. Entstanden aus einem Profistudio will Singpoint ein Tonstudio für alle sein – für Weihnachtsfeiern, Junggesellenabschiede und eben Geburtstage. Bundesweit werden wöchentlich rund 100 Kindergeburtstage bei Singpoint ausgerichtet, allein in Hamburg sind es 50 pro Monat. „Vor allem Mädchen wollen bei uns feiern“, sagt Josip Rista.

Sogar Poster im „Bravo“-Format sind möglich

Je nach Studiodauer, Liederanzahl und Fotosession für das CD-Cover kosten das Paket 59 bis 129 Euro, plus 15 Euro pro Teilnehmer. Außerdem kann man CDs, Autogrammkarten und Poster im „Bravo“-Format nachbestellen. Da kommen schnell ein paar Hundert Euro zusammen. Für Tanja Behrens, die den zwölften Geburtstag ihrer Tochter Lena und den Crazy Chicks bei Singpoint ausgerichtet hat, waren die Kosten nebensächlich. „Wir wollten am Geburtstag etwas ganz Besonderes machen. Etwas, das man nicht jeden Tag macht.“ Kein Einzelfall: „Der Trend geht zum Event“, sagt Ulrich Reinhardt, Leiter der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen. Kindergeburtstage werden nicht mehr gefeiert, sondern zelebriert. Man feiert auf dem Flughafen, im Tierpark oder der Tanzschule, auf dem Bauernhof oder im Indoor-Spielplatz. Man kann klettern, Buchbinden, Filzen, Kochen oder selbst Busfahren. Für viele gilt: Je ausgefallener, umso besser. „Es geht nicht so sehr darum, den Ansprüchen der eigenen Kinder gerecht zu werden, sondern denen der anderen: der anderen Eltern und der anderen Kinder“, sagt Ulrich Reinhardt. Unter Eltern gebe es einen regelrechten Konkurrenzkampf, wer die originellste Feier ausrichtet, das lustigste Motto hat, die schönste Dekoration und die besten Abschiedsgeschenke für die Geburtstagsgäste. „Kindergeburtstage sind zu einem Statussymbol geworden“, sagt Reinhardt und bezeichnet die Ausmaße als „besorgniserregend“.

Großer Umsatz durch Kindergeburtstage

Rund dreieinhalb Kilometer oder einen Luftballonflug entfernt von Reinhardts Büro liegt Happy Balloon. Im Fachgeschäft für Partyartikel, Deko und Luftballons gibt es alles für den perfekten Kindergeburtstag – vom Biene-Maja-Pappteller über das Star-Wars-Konfetti bis hin zum aufblasbaren Piratenpapagei. 30 bis 40 Prozent des Gesamtumsatzes macht Happy Balloon mit der Ausstattung von Kindergeburtstagen. „Es gibt Eltern, die geben schon für den ersten oder zweiten Geburtstag ein paar Hundert Euro für die Deko aus“, sagt Klaus Glor, zuständig für Marketing und Verkauf bei Happy Balloon.

Was früher selbst gebastelt wurde, wird heute gekauft. Wo früher ein paar Ballons und Luftschlangen reichten, muss heute eine Mottoparty mit Komplettdeko her. Und die kostet. Bis zu 300 Euro ließen sich Eltern die Ausstattung mit passenden Tellern, Bechern, Luftballons, Girlanden und Geschenktüten kosten. „Die Nachfrage nach Partyartikeln für Kindergeburtstage ist enorm gestiegen“, sagt auch Wolfgang Linnekogel, Chef des Hamburger Einzelhandelsverbandes. Kindergeburtstage hätten inzwischen die gleiche Bedeutung wie Halloween.


Auch Museen und Zoos veranstalten Kindergeburtstage


Das Geschäft mit Kindergeburtstagen boomt – und jeder möchte daran teilhaben. Museen und Zoos veranstalten Kindergeburtstage, Landwirte und Fußballclubs bieten Programme zum Geburtstag an. Sogar Eventagenturen gibt es, die Kindergeburtstage planen und durchführen. Sie stellen Material und Personal, organisieren Spiele und Programm, helfen bei Einladungskarten.

Für Indoor-Spielplätze sind Kindergeburtstage eines der wichtigsten Standbeine. Im Indoor-Spielplatz rabatzz! werden jährlich 3500 bis 4000 Kindergeburtstage gefeiert, in Jolos Fun-World in Quickborn sind es rund 120 monatlich. Tendenz steigend. „50 Prozent unserer Gäste kommen im Rahmen eines Kindergeburtstages zu uns“, sagt Christian Gonska, Betriebsleiter von Jolos Fun-World. Im Gegensatz zu Tagesgästen, deren Zahl stark vom Wetter abhängig sei, kämen Geburtstagsgäste unabhängig von der Jahreszeit. Zwischen acht und zwölf Euro kostet die Party pro Kind in Jolos Fun-World, bei rabatzz! sind es zwischen 16,90 und 33,90 Euro – abhängig davon, wie aufwendig Verpflegung, Dekoration und Programm sind. Mehr als 30.000 Kindergeburtstage hat rabatzz! seit der Eröffnung vor neun Jahren bereits ausgerichtet. „Damit sind wir Marktführer in Hamburg“, sagt rabatzz!-Geschäftsführer Achim Landvogt.

Ortswechsel: Vom Indoor-Spielplatz zum Indoor-Fußball, von rabatzz! zu soccer in Hamburg. Rund 50 Kindergeburtstage (199 Euro für zehn Kinder) werden hier monatlich ausgerichtet. „In den Herbst- und Wintermonaten ist die Nachfrage so groß, dass wir nicht allen gerecht werden können“, sagt Dirk Petersen, Geschäftsführer von soccer in Hamburg. Die wirtschaftliche Bedeutung von Kindergeburtstagen für die soccer-Anlage sei groß. „Das ist eine unserer Haupteinnahmequellen“, so Petersen.

Der Kindergeburstag wird outgesourced

Zu Hause feiern? Das ist für viele undenkbar geworden. „Kindergeburtstage werden heutzutage immer öfter outgesourced“, sagt Trendforscher Peter Wippermann und meint damit: ausgelagert. Ausgelagert aus der eigenen Wohnung, aus der eigenen Verantwortung. „Wir leben in einer Dienstleistungsgesellschaft. Das betrifft auch Kindergeburtstage“, so Wippermann. Warum selbst die Einladungskarten basteln, wenn es auch welche zu kaufen gibt? Wieso zu Hause Topfschlagen veranstalten, wenn es woanders Kletterwände gibt? Weshalb selbst Muffins backen, wenn es professionelle Geburtstagstorten mit Pippi Langstrumpf oder James Bond gibt?

Mottoparty für den Kindergeburtstag

Torten wie die von Stephanie Emmert. Die 28-Jährige hat vor zwei Jahren Emmas Konditorei gegründet, in der sie eigentlich nur Hochzeitstorten anbieten wollte. „Doch dann war die Nachfrage nach Torten für Kindergeburtstage so groß, dass wir diese mit ins Angebot aufgenommen haben – und davon mehr verkaufen als Hochzeitstorten“, sagt Stephanie Emmert. Zehn bis 30 Stück sind es pro Woche, die teuerste kostet 180 Euro. „Kindergeburtstage werden immer öfter unter ein Motto gestellt. Das soll sich dann auch im Kuchen widerspiegeln, zum Beispiel mit einer Piraten- oder Prinzessin-Torte oder Motiven aus den Disney-Filmen.“

So eine Mottotorte hatte übrigens auch Familie Behrens für Geburtstagskind Lena und ihre Gäste nach dem Besuch bei Singstar aufgetischt. Was darauf war? Natürlich ein Mikrofon.