Konkurrenzlos günstige Küche: das Beethoven-Eck in Barmbek-Süd

Zum Abendessen haben sich versammelt: zwei Wessi-Männer und eine Ossi-Frau sowie ein Ossi-Mann, und diese beiden wollen jetzt ihre Heimatgefühle nicht unterdrücken, denn sie sehen das Licht ihrer Jugend, obwohl wir im Keller sitzen - das Beethoven-Eck, gelegen an der Grenze zwischen Barmbek-Süd und Winterhude, ist der Ort für Spezialitäten der untergegangenen DDR.

Wir erleben hier keine Kommunistenküche und keine Armenspeisung, obwohl die Preise kaum zu unterbieten sind und das Gestern beschwören. Auf der sogenannten Höhe der Zeit ist gar nichts in diesem Lokal, weder sind es die Gerichte noch die Einrichtung oder die Klamotten von Wirt Rüdiger Marsch. Mit seinem Sohn Rainer leitet er den Laden in voller Souveränität, kein Job für Weichlinge. Über seine Rinderkraftbrühe (2,10 Euro) sagt Marsch, davon könne er einen Liter trinken (!), und als er mir zur Begrüßung die Hand gibt, ahne ich, wie er damals in Neubrandenburg die Gegner beim Handball weghaute.

Zum Auftakt nehmen wir Soljanka (2,80 Euro), eine Art Restesuppe aus Wurst und Paprika, und der Ossi-Mann schlürft zustimmend: "Schmeckt nach zu Hause, ich mag's aber ein bißchen schärfer."

Die Wochen vorher war ich bereits allein im Beethoven-Eck und betrachtete die Fotos an den Wänden: Um die Jahrhundertwende stand Tante Anni hinterm Tresen, und es hätte ihr gefallen, daß die Marschs auch Klassiker des Westens zubereiten, darunter Rinderschmorbraten mit Rotkohl und Salzkartoffeln (6,50 Euro), Sauerfleisch mit Remouladensoße (4,50 Euro), Forelle Müllerin (7,90 Euro), Hamburger Schnitzel mit Spiegelei und Bratkartoffeln (6,50 Euro), Bauernfrühstück (3,50 Euro) plus zwei Tagesgerichte. Nun aber verlangen wir nach den DDR-Legenden, es muß ein Kammsteak sein (5,80 Euro), die Mecklenburger Putenpfanne (6,10 Euro), das Schweinerückensteak mit dem Nationalgemüse Letscho (6,90 Euro), und die Ossi-Frau schnaubt vor Rührung in ihr Taschentuch, als sie ihr Würzfleisch bekommt (nur auf Vorbestellung).

Jeder Gourmet sollte diese Sachen ab und zu mal essen und in die Wirklichkeit hinabsteigen, das schärft die Sinne! "Eine Frau im Service wäre nett", sagt der Ossi-Mann, "eine Frau ist ja auch was Warmes." Fast hätten wir das Trinken vergessen, an Wein ist kaum was da, Bier paßt besser, Veltins (West) und Lübzer (Ost), dazu zwei, drei Schnäpse.

Ludwig van Beethoven (Musik) und Friedrich Schiller (Text) träumten von dem Götterfunken und der Verbrüderung aller Menschen, das kann noch dauern: Im Beethoven-Eck, immerhin, wiedervereinigen sich Ossis und Wessis - ganz ohne Mauer im Kopf. Uwe Kopf

Beethoven-Eck tägl. 11.30-14.30 und 18.00-23.00, Beethovenstraße 1 (MetroBus 25, Bus 172, 173, U Mundsburg), T. 22 73 93 87