Im Herbst, wenn die Nebelschwaden wie Taschentücher über der Stadt liegen, die Schiffshörner husten und die Menschen sich unter Regenschirmen verstecken - dann müssen Sie auf den Michel steigen.

Hamburg. Im Herbst, wenn Hamburg eine Erkältung zu haben scheint, die Nebelschwaden wie Taschentücher über der Stadt liegen, die Schiffshörner husten und die Menschen sich unter Regenschirmen verstecken, dann müssen Sie auf den Michel steigen. Nirgends wird Ihnen so warm werden. Zum einen durch den zehnminütigen Aufstieg - die 453 Stufen sollten keinesfalls durch den Fahrstuhl ersetzt werden - zum anderen durch den Sekt. "Und wenn es richtig kalt ist, servieren wir Glühwein", sagt Manfred Forner, Inhaber der alten "Krameramtsstuben", die sich im Windschatten des Michel ducken und den Sektausflug für Gäste des Restaurants auf die 82 Meter hohe Plattform der Hauptkirche St. Michaelis - auch außerhalb der normalen Öffnungszeiten - organisieren.

Mit dem Glas in der Hand wirkt Hamburg noch prickelnder und die Freundin noch glücklicher. "Romantisch!", sagt Barbara Freund und stößt mit ihrem Liebsten Lutz Dammann an. Auf dem Wahrzeichen der Stadt feiert das Paar die wahre Liebe. "Ich war auf dem Kölner Karneval und habe mir dort den einzigen Hamburger gesucht", erzählt Barbara Freund lachend über ihr Kennenlernen. Ein Klassiker also.

Klassisch wie die "Krameramtsstuben" am Krayenkamp 10, eine Gasse mit Fachwerkhäusern aus dem 17. Jahrhundert, eng und voller Vergangenheit. Die Zunft der Einzelhändler, das wohlhabende Krameramt, richtete hier ab 1676 Wohnungen für Arbeitsunfähige und Witwen ein. Sie müssen gute Schutzengel gehabt haben, denn die Gasse überstand sowohl den Großen Brand von 1842 als auch die Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg.

Heute befinden sich in den ehemaligen Wohnungen niedliche Läden und das Restaurant von Manfred Forner. Spezialitäten: Sauerkrautsuppe, Pannfisch und gute Sprüche. "Wir freuen uns über alle Gäste", sagt Forner. "Aber die dürfen nicht anfangen zu spinnen, dafür bin ich da." Forner ist seit 50 Jahren Gastronom. Den Michel und die historische Gasse sieht er täglich zehn Stunden lang, es ist jedoch ein anderer Anblick, der ihn fasziniert: "Wenn die Touristen zum ersten Mal da sind und dieses wundervolle Staunen im Gesicht haben." Heute Abend wird er es wieder sehen: Eine Gruppe von Arbeitskollegen hat sich angemeldet und Sekt zum Sonnenuntergang auf dem Michel bestellt. Himmlisch. Sie müssen nur eine Sache beachten: Das Glas festhalten! Sonst wird's vom Winde verweht.

Erlebnis

Hauptkirche St. Michaelis, Krayenkamp 4c, 20459 Hamburg

Öffnungen des Turms: Mai bis Oktober 9 bis 19.30 Uhr, November bis April 10 bis 17.30 Uhr

Eintrittspreise: Erwachsene 3 Euro, Kinder 2 Euro

Zu den alten Krameramtsstuben, Krayenkamp 10, 20459 Hamburg

Tel. 040/36 58 00

www.krameramtsstuben.de

Öffnungszeiten: Mo-So 10-24 Uhr

Preise: Erwachsene 8,50 Euro

Zusatzinformationen: Das Sekt- oder Glühweintrinken auf dem Michel können Gäste des Restaurants auch außerhalb der Turmöffnungszeiten dazubuchen.

Es gibt auch eine zweite Möglichkeit, den Michel nachts bis ca. 24 Uhr zu besteigen:

Informationen und Anmeldung unter: 040/28 51 57 91.

Kosten: Eintritt inklusive Getränk 9,50 Euro für Erwachsene, Kinder bis 16 Jahre 7,50 Euro, Kinder bis 3 Jahre frei.

ÖPNV: U 3, Haltestelle Baumwall oder St. Pauli; S 1, Haltestelle Stadthausbrücke

Geeignet für Michels, Mädels, Durstige und alle, die "Vom Winde verweht" mögen.