Die Hafenstadt ist durch Museen wie das Klimahaus attraktiver geworden. Auch das traditionsreiche Wremen zieht jährlich viele Touristen an

Der Blick reicht weit über schimmernde Priele, über das graue Watt. Davor strömt das nahe Fahrwasser der Wesermündung, wo gigantische Containerschiffe dahingleiten, als rollten sie auf einer Schiene. Fast 80 Meter hoch ragt die einer Kommandobrücke nachempfundene Aussichtsterrasse des Bremerhavener „Atlantic Hotel Sail City“ über die flache Küstenlandschaft des Elbe-Weser-Dreiecks und bietet, wenn man so will, eine völlig neue Sicht auf die Dinge hier an der Küste: Meist wird eben das gut 30 Kilometer entfernte Cuxhaven als Basis für Ausflüge und Ferien in dieser Region genannt. Nicht Bremerhaven, eine Stadt, die im Krieg massiv zerstört wurde und die man in den vergangenen Jahren eher mit Arbeitslosigkeit und Niedergang in Verbindung brachte.

Bremerhaven ist ein maritimes „Dubai an der Weser“

Doch die Seestadt, eine Enklave der Hansestadt Bremen, hat sich mit millionenschweren Investitionen direkt am Wasser ein völlig neues Gesicht gegeben. Um 2000 begann der Aufbau der „Havenwelten“ in Bremerhaven: Ein mehrfach ausgezeichnetes Auswanderermuseum eröffnete dort, das einen Ausflug in viele Klimazonen dieser Erde bietet. Schon lange gibt es hier das Schifffahrtsmuseum, eines der besten der Welt. Traditionsschiffe und moderne Yachten liegen in den alten Hafenbecken nebenan. Das „Atlantik Hotel Sail City“ ist so etwas wie ein weithin sichtbares Wahrzeichen dieser neuen „Havenwelten“ – wegen des spitzen Turms und der segelförmigen Architektur wird es spöttisch auch schon einmal das „Burj al Arab Bremerhavens“ genannt, weil es diesem natürlich viel größeren Hotel in Dubai so ähnelt. Doch auch die Wucht der vielen neuen Attraktionen lässt an die aus dem Boden gestampfte Wüstenstadt erinnern. „Dubai an der Weser“, titelte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ über dieses neue Bremerhaven. Das mag übertrieben sein, trifft es aber.

1827 erst hatte Bremens damaliger Bürgermeister Johann Smidt 60 Kilometer nördlich der alten Hansestadt an der Wesermündung die Stadt gegründet. Fischfang und Seefahrt war lange ihre Lebensgrundlage. Heute sind es auch touristische Attraktionen und die Wissenschaft: Etliche Forschungsinstitute haben sich nahe der Havenwelten angesiedelt, thematisch manchmal eng mit dem Meer verwoben.

Museum „Deutsches Auswandererhaus“ ist ausgezeichnet

Und in einem Teil des Fischereihafens am sogenannten Schaufenster wird die Tradition des Fischfangs touristisch verwertet: In alten, restaurierten Backstein-Schuppen sind Fischrestaurants eingezogen, es gibt Show-Koch-Veranstaltungen zum Thema Fisch, einen alten Hochseekutter zu besichtigen, ein Meeresaquarium. Und alles ganz dicht beisammen. Eine Modell-Ausstellung, wo Kids auf traumhaft langen Bahnen Carrera-Autos fahren lassen können, befindet sich direkt gegenüber. Bremerhaven – ein Wochenende reicht kaum noch aus, um sich das alles anzusehen.

Zwar hat der Bau des Klimahauses, die Umstrukturierung alter Hafenbecken, der Zoo am Wasser und vieles mehr auch etliche Millionen Euro öffentlicher Gelder verschlungen. Angesichts einer Verschuldung, die an die Milliarde herangeht, regt sich in Bremerhaven daher nicht selten Protest gegen solche Projekte. BIW, Bürger in Wut, heißt eine solche Gruppe Nörgler. Doch es scheint, als habe der Mut der Planer sich bald gelohnt. Die Besucherzahlen von Klimahaus, Auswanderermuseum und all den anderen Ausflugspunkten lassen hoffen. Und, das muss man als Hamburger einräumen, viele gibt es zwar auch zu Hause – aber, mit Verlaub, nicht so gut gemacht.

Elbe-Weser-Dreieck als Gegenprogramm zu Bremerhaven

Das Elbe-Weser-Dreieck ist jedoch mehr als eine runderneuerte Hafenstadt: Als Gegenprogramm zu einem oder zwei voll gepackten Tagen in Bremerhaven empfiehlt sich da die Küste bis zur Elbmündung hinauf nach Cuxhaven. Ebbe und Flut im Wattenmeer, kleine Kutterhäfen und das grüne, flache Land prägen die windreiche Gegend. Büsche und Bäume sind hier stark nach Osten geneigt, auch wenn es nicht stürmt – sie sind so gewachsen, als wehte ewig ein steifer Westwind vom Meer her. Dazwischen säumen die schmalen Straßen immer wieder mächtige Hofanlagen. Land Wursten heißt dieser Landstrich. Wursten sind die aufgeschütteten Hügel, auf denen seit Jahrhunderten die Menschen hier ihre Häuser und Ställe bauten, um sie vor Fluten zu schützen.

Wremen lockt mit Wattenmeer - und dem Bistro Siebhaus

Einer der ersten Küstenorte von Bremerhaven aus gesehen ist Wremen: Mit der Flut kommen dort die Kutter zurück in den kleinen Hafen, der eher ein etwas größerer Priel ist, der sich vom Wattenmeer in die Wiesen hineinschlängelt. Die Fischer verkaufen direkt von Bord. Der wohl schönste Ort dort ist aber das kleine Bistro Siebhaus. Vor einigen Jahren wurden in dem flachen unscheinbaren Haus am Hafen noch Krabben sortiert, heute gibt es hier kühlen Weißwein zum Sonnenuntergang. Liegestühle und eine unendlich erscheinende grüne Wiese laden zum Entspannen mit Meeresblick ein. Noch ein Geheimtipp, der an die Hamburger Strandperle erinnert – nur mit einem viel weiteren Blick. „Wir merken hier aber auch, dass der Tourismus in Bremerhaven so angezogen ist in den letzten Jahren“, sagt Siebhaus-Betreiber Thorsten Kuhr. Aber es gibt sie noch, die völlige Einsamkeit inmitten der Natur: Rechts vom Fahrwasser breitet sich ab Wremen das Wattenmeer aus, das seit 2009 Weltnaturerbe der Unesco ist.

Erholung rund um Cuxhaven mit Nordsee-Atmosphäre

Von Wremen aus führt eine kleine Straße am Deich weiter Richtung Cuxhaven. Ein weiterer Kutterhafen ist bald in Dorum-Neufeld erreicht. Hier lohnt der Weg zum Nationalpark-Haus direkt am Hafen -(www.nationalparkhaus-landwursten.de), wo den Besuchern das Wattenmeer erklärt wird. Zwar gibt es in Dorum wie in Wremen auch einen kleinen Strand, das Baden ist aber natürlich abhängig von Ebbe und Flut. Im Dorumer Schwefelsole-Wellenbad (im Sommer täglich von 10 bis 18 Uhr) kann man aber auch in salzigen Wellen baden. Ein weiterer Tipp an der Küste ist der etwas weiter Richtung Cuxhaven gelegene, noch kleinere Kutterhafen in Spieka-Neufeld. Dort liegt neben Campingplatz und Wohnmobil-Areal ein kleiner Strand mit großer Wiese: für Kinder ideal. Die Flut kommt langsam über das Watt gekrochen, das Wasser sieht dann zwar etwas trübe aus, ist aber sehr warm und flach.

Wer jedoch richtige, große Strände liebt, der sollte gleich ins traditionelle Seebad Cuxhaven weiterfahren: Dort gibt es alles, was man sich zu einem Nordsee-Badeausflug vorstellt. Sonnenschirme, Kioske, Strandleben, Geruch nach Sonnencreme und Pommes, lautes Kinderlachen, Plätschern der Wellen und die falsche Musik beim Strandkorbnachbarn.

Die Burg vom Luftkurort Bad Bederkesa

Aber auch Bad Bederkesa sollte man nicht verpassen. Es liegt mittendrin in diesem Landstrich, ein idealer Zwischenstopp auf dem Weg von oder nach Hamburg: Bei Bederkesa trifft die Niederung der Küste auf Geestrücken, die von den Eiszeiten herangeschlemmt wurden. Bederkesa selbst schmiegt sich an einen See: Ein schöner Rundweg führt herum, auch Segel- und Ruderboote kann man dort leihen. Mittelpunkt des Luftkurortes ist eine Burg, die ihre Wurzeln im 11. Jahrhundert hat. Ein Museum dort zeigt die spannende Besiedlungsgeschichte dieser Gegend. Am schönsten ist wohl der Weg entlang des verträumten Hadelner Kanals, der die Elbe bei Otterndorf mit der Weser in Bremerhaven verbindet. Hier wandert oder radelt man über flache Hügel und durch sumpfige Landschaften, vorbei an Wiesen, Gräben und Seen. Dazu ein blauer Himmel mit scharf gezeichneten weißen Wolken. Norddeutschland pur – und allein schon einen Ausflug wert.

Anfahrt

Mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Ab Hamburg-Hauptbahnhof fahren Sie mit der S 3 oder dem Metronom bis Buxtehude. Von Buxtehude geht weiter mit der EVB bis Bremerhaven. Fahrplan unter: www.evb-elbe-weser.de

Mit dem Auto: Über die A 7 bis zur Anschlussstelle Waltershof. Von dort aus über die B 73 weiter nach Horneburg. Ab hier auf der L 123 bis zum Ende. Wechseln Sie auf die B 71 bis nach Bremerhaven.

Weitere Informationen: Cuxhaven CUX-Tourismus GmbH, Tel. 04721 / 40 42 00, www.cuxhaven.de, Bremerhaven Tourist-Info Hafeninsel, Tourist-Tel. 0471 / 41 41 41, www.bremerhaven-touristik.de