Drei Spieler werden am 28. Mai noch gestrichen - Adler, Odonkor und Marin dabei, Hildebrand geschockt.

Garmisch-Partenkirchen/Hamburg. Für einen kurzen Augenblick mussten sie ihren gemütlichen Grillabend mit der Familie sowie das Backgammon-Spiel unterbrechen. Hansi Flick war am Telefon. Und während Bruder Slawomir ungläubig schaute, verbuchte Piotr Trochowski den vielleicht größten Triumph seiner noch jungen Karriere. "Er rief am Donnerstag gegen 22 Uhr an und hat mir mitgeteilt, dass ich zum EM-Kader gehöre", berichtete der erste HSV-Spieler bei einem EM-Aufgebot seit 1984 (damals war es Wolfgang Rolff) stolz.

Gut 15 Stunden später, am Freitag um 13.35 Uhr, wurde es dann während der TV-Live-Übertragung von der Zugspitze offiziell: Trochowski gehört zum 26 Spieler umfassenden, vorläufigen EM-Kader der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, obwohl er beim HSV in den vergangenen Wochen mehr ein- und ausgewechselt wurde als durchspielen durfte. "Joachim Löw hat mich bei den Länderspielen kennengelernt und weiß, was ich kann", freute sich Trochowski, der allerdings zugeben musste: "Eine gewisse Unsicherheit ist immer dabei. Nach der Entscheidung ist eine Riesenlast von meinen Schultern gefallen. Da war Michael Ballack sicher entspannter."

Die Nominierung des Chelsea-Mittelfeldspielers und Kapitäns der Nationalmannschaft war lediglich eine Formalität. Umso überraschender kam hingegen die Entscheidung Löws, mit Rene Adler (Leverkusen) und Marko Marin (19, Mönchengladbach) zwei Neulinge aus dem Hut zu zaubern. Besonders die Berufung Marins ist als Sensation zu werten. "Wir haben ihn schon eine ganze Weile beobachtet", sagte Löw, der den nur 1,69 Meter großen Gladbacher als "kleines Küken" bezeichnete. "Das ist für ihn ein Sprung ins kalte Wasser, aber er hat eine herausragende Qualität, dieses unglaubliche Verhalten im Eins gegen Eins."

Der ausgebootete Torwart Timo Hildebrand (Valencia) zeigte sich in einer ersten Reaktion geschockt: "Es schmerzt wie eine frische Fleischwunde. Verstehen oder nachvollziehen kann ich die Entscheidung nicht."

Löw ist der erste Bundestrainer seit Franz Beckenbauer 1990, der mit einem größeren Kader in die Vorbereitung startet und damit ein Spannungsfeld in Kauf nimmt: "Wir wollen alle Ressourcen ausschöpfen. Am 28. Mai ist das Ende des Castings. Die drei Spieler, die uns dann verlassen werden, wissen, dass es nicht an ihrer Qualität liegen wird."

Da voraussichtlich ein Stürmer das Team verlassen werden, muss Trochowski seinen Platz im Mittelfeld wohl gegen die Konkurrenten Jermaine Jones, David Odonkor und Marin verteidigen. Am 27. Mai beim EM-Test in Kaiserslautern gegen Weißrussland folgt für Trochowski die letzte Chance, sich entscheidend in den Vordergrund zu spielen.

Der vorläufige Kader, in dem noch 15 Akteure von der WM 2006 dabei sind (Altersdurchschnitt 25,4 Jahre), trifft sich am Montag in Frankfurt und fliegt am Nachmittag nach Mallorca, wo bis zum 30. Mai die erste Vorbereitungsphase durchgeführt wird. Löw: "Ich habe bestimmte Gedankenspiele, aber noch keine Spieler im Kopf, die wir wieder nach Hause schicken. Wir haben schließlich noch viele Einheiten vor uns, um das zu entscheiden."