Berlin. Mehr Sicherheit bei Stromversorgung. Warum die Regierung an Hochspannungsleitungen der niederländischen Tennet interessiert ist.

Die Bundesregierung könnte bald den größten Teil des deutschen Hochspannungsstromnetzes übernehmen. Die Verhandlungen zwischen der deutschen und niederländischen Regierung über den Verkauf der hiesigen Tochter des niederländischen Unternehmens Tennet kommen voran. „Die Gespräche sind konstruktiv“, sagte eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Die Tennet Holding gehört dem niederländischen Staat. Ihre hundertprozentige deutsche Tochter betreibt das sogenannte Übertragungsnetz in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen und Bayern. Sie ist damit maßgeblich für die Durchleitung des Windstroms von Nord- und Ostsee in die Industriezentren des Südens verantwortlich.

„Tennet prüft den möglichen Verkauf seiner deutschen Aktivitäten an den deutschen Staat, um die ehrgeizigen Ziele der Energiewende zu erreichen“, teilte Tennet mit. Vom Wirtschaftsministerium hieß es: „Das begrüßen wir.“ Die Verhandlungen waren erstmals im vergangenen November bekannt geworden. Damals ging es um die Übernahme von 50 Prozent der deutschen Tennet durch die öffentliche KfW-Bank, nun deutet sich der komplette Verkauf an.

Hochspannungsnetz: Privatisierung wird zurückgefahren

Als Begründung nannte Tennet, dass der nötige Ausbau der Nord-Süd-Stromleitungen in Deutschland 15 Milliarden Euro Eigenkapital erfordere. Diese Investition scheint der Niederländern zu hoch zu sein. Denn auch der Ausbau der Stromtrassen in den Niederlanden kostet Milliarden.

Käme die Übernahme zustande, würde damit ein Teil der Privatisierung der Elektrizitätsversorgung in Deutschland zurückgedreht, jedenfalls vorübergehend. Möglich ist, dass die Bundesregierung das Tennet-Netz später an private Investoren weiterreicht.

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Das hiesige Hochspannungsnetz gehört vier Unternehmen. Neben Tennet als größtem sind dies Amprion in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Westbayern, 50Hertz in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen, sowie TransnetBW in Baden-Württemberg.

Hochspannungsnetz wirft hohe Gewinne ab

Die Hochspannungsnetze sind lukrative Unternehmen. Sie bringen den Eigentümern Milliarden Euro Gewinn. Allerdings ist die Profitmarge staatlich reguliert. Die Bundesnetzagentur achtet darauf, dass es Firmen nicht übertreiben, damit der Strompreis nicht zu stark steigt. Schließlich handelt es sich bei den Stromleitungen um Monopole, die zudem überlebenswichtig für das ganze Land sind.

An 50Hertz ist der Staat über die KfW-Bank bereits beteiligt. Das war eine Notoperation im Jahr 2018, um den Einstieg eines chinesischen Unternehmens zu verhindern. Bis in die 1980er Jahre spielte der Staat eine wichtige Rolle als Eigentümer in der Energiewirtschaft. Dann folgte die Phase der Privatisierung und Liberalisierung. Es entstanden neue, private Unternehmen, beispielsweise Eon. Diese mussten allerdings die Stromproduktion von der Stromverteilung trennen. So verkaufte Eon sein Hochspannungsnetz an Tennet.