Berlin. Noch bleibt der Leitzins im Euroraum bei null Prozent. Das könnte sich aber zeitnah ändern. Was der EZB-Beschluss für Sparer bedeutet.

Die Preise in Deutschland steigen, fast alles wird teurer. 7,3 Prozent mussten Verbraucher im März mehr für ihren Warenkorb zahlen als noch vor einem Jahr. Vor allem die durch den Krieg in der Ukraine gestiegenen Energiepreise schlagen bei der Inflation in ins Kontor.

Mehr als doppelt so viel wie noch vor einem Jahr mussten Verbraucher etwa für Heizöl zahlen, an den Tankstellen verteuerte sich der Sprit um mehr als 40 Prozent. Doch auch beim Einkauf für den täglichen Bedarf spüren Verbraucher die Inflation. Supermärkte wie Aldi haben saftig die Preise erhöht, Nahrungsmittel verteuerten sich im Dezember um mehr als 6 Prozent.

Inflation: EZB hält am Leitzins von 0 Prozent fest

Zugleich aber wirft das Ersparte auf dem Girokonto oder dem Sparbuch schon seit Jahren keine Zinsen mehr ab, die diese Teuerung auch nur im Ansatz ausgleichen könnten. Wer sich keine anderen Anlagemöglichkeiten sucht, hat derzeit einen hohen Kaufkraftverlust. Daran wird sich vorerst auch nichts ändern.

Obwohl die Inflation in Deutschland bei 7,3 Prozent und im Euroraum sogar bei 7,5 Prozent liegt, hält der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) den Leitzins weiter auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent, wie die Notenbank am Donnerstag mitteilte. Banken, die Geld bei der EZB parken, müssen weiterhin einen negativen Einlagezins von 0,5 Prozent zahlen.

Inflation: Trotz Risiko will die EZB mit Zinserhöhung noch warten

Die Zinswende könnte verspätet zwar auch in Europa ankommen. Zunächst aber will die EZB ihre milliardenschweren Anleihekäufe über das Ankaufprogramm APP beenden. Ab dem dritten Quartal des laufenden Jahres soll Schluss sein mit dem Programm, das den Unternehmen zuletzt durch die Corona-Krise helfen sollte. Bis dahin fließen aber noch mindestens 90 Milliarden Euro in die Papiere.

Erst „einige Zeit“ nach dem Ende des Aufkaufprogramms, will die EZB dann ihre Leitzinsen ändern. Ziel sei es, die angestrebte Marke von 2 Prozent bei der Inflation zu erreichen. „Dementsprechend geht der EZB-Rat davon aus, dass die EZB-Leitzinsen so lange auf ihrem aktuellen Niveau bleiben werden, bis er feststellt, dass die Inflationsrate deutlich vor dem Ende seines Projektionszeitraums 2 % erreicht“, heißt es in der Mitteilung der EZB. Zugleich sei der EZB-Rat bereit, „alle seine Instrumente“ anzupassen, um mittelfristig die Inflation bei zwei Prozent zu halten.

Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ Bank, geht davon aus, dass die EZB-Beschreibung „einige Zeit“ wohl eher „in Wochen als in Monaten zu messen sein wird“. Das heißt aber auch: „Schneller wird das Ruder nicht herumgerissen, auch wenn die Risiken auf der Inflationsseite stark angestiegen sind.“

In den USA hebt die Fed die Zinsen bereits wieder an

Die europäischen Notenbanker bleiben damit zurückhaltender als ihre amerikanischen Kollegen. Die US-Notenbank Fed hatte bereits im März den Leitzins auf 0,25 bis 0,5 Prozent angehoben. Viele Ökonomen gehen mittlerweile davon aus, dass auch die EZB in diesem Jahr noch tätig werden wird. Denn Preisstabilität ist eigentlich die wichtigste Aufgabe der Währungshüter.

Lange war die EZB davon ausgegangen, dass sich die Inflation wieder einpendeln werde, wenn die Lieferkettenprobleme gelöst seien. Nun musste EZB-Präsidentin Christine Lagarde, die coronaerkrankt aus dem Homeoffice per Videoschalte die Geldpolitik am Donnerstag erklärte, eingestehen: „Die Inflation wird in den kommenden Monaten hoch bleiben.“ Auch seien die Inflationsrisiken gestiegen, der Druck des Preisauftriebs habe viele Sektoren erreicht. Wann es konkret zu einer Zinsanhebung kommen könnte, wollte Lagarde nicht sagen.

EZB steht vor einem Dilemma

Die EZB steht allerdings gleich vor mehreren Problemen. Höhere Zinsen wirken sich auch auf Kredite aus. Viele Firmen waren in der Corona-Pandemie auf das billige Geld angewiesen, nun droht durch den Krieg in der Ukraine neues Ungemach. Sollte es dazukommen, dass Europa keine Energie mehr aus Russland erhält, droht ein Wirtschaftseinbruch – und günstige Kreditkonditionen könnten helfen, Firmenpleiten und steigende Arbeitslosigkeit zu verhindern.

Will die EZB mit Zinsen die Inflation bekämpfen, dann geht sie davon aus, dass Sparer einen Anreiz bekommen, ihren Konsum zu drosseln und ihr Geld zu sparen, anstatt es in Erwartung steigender Preise noch schnell auszugeben und so die Inflation immer weiter zu befeuern. Dieses Mal könnte die Rechnung aber nicht aufgehen. Denn der Preisauftrieb ist nicht nachfragegetrieben – er ist vor allem eine Folge des durch zusammengebrochene Lieferketten verknappten Angebots.

Wer es sich erlauben konnte, legte während der Pandemie Geld zur Seite – die Sparquote lag während der Corona-Pandemie deutlich höher als vor der Pandemie, wie aus Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat hervorgeht. Eigentlich war es das Ziel der Politik, den Konsum wieder anzukurbeln, um die Wirtschaft wieder auf feste Beine zu stellen. Hinzu kommt, dass die Schuldenquote der Euroländer während der Pandemie weiter gestiegen ist – höhere Zinsen würden für Druck sorgen. In Griechenland etwa liegt die Quote mehr als 200 Prozent über dem Bruttoinlandsprodukt, in Italien 155 Prozent und in Portugal 130 Prozent. Deutschland liegt mit einer Schuldenquote von rund 70 Prozent unter dem EU-Durchschnitt. Die EZB steht also vor einem Dilemma.

Keine rosigen Aussichten für Sparer

Selbst wenn die Zinswende noch in diesem Jahr kommt, dürfte sich für Sparer kaum etwas ändern. Zunächst würde nach Einschätzung von Experten wohl erst der negative Einlagezins für Banken in Richtung null Prozent angehoben werden, erst anschließend würde die EZB an den Leitzins gehen – und wohl in homöopathischen Schritten von 0,25 Prozent.

Geben die Banken die Zinsen an ihre Kunden weiter, ist das zwar besser als die derzeitige Null- und Minuszinsangebote, der große Wurf wird es für Sparer aber auch nicht. 0,25 Prozent Zinsen macht bei einem gesparten Guthaben von 20.000 Euro 50 Euro im Jahr an Zinsen, bei 50.000 Euro wären es 125 Euro. Ausgleichen kann das die derzeitigen Mehrkosten durch die Inflation nicht.

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.abendblatt.de