Robert Dudley wird Nachfolger des gescheiterten Konzernchefs. Die Analysten erwarten ein gutes Quartalsergebnis des Konzerns.

Hamburg. Die Szene im Dachrestaurant des Hamburger Hotels Le Royal Meridien wirkte skurril. Da trafen sich in der vorvergangenen Woche BP -Leute und Journalisten, um einen langjährigen BP-Mitarbeiter zu verabschieden. Doch nicht die Ehrung des Veterans stand im Mittelpunkt, sondern das Klagen von BP-Deutschlandchef Uwe Franke. Der teilte dem Auditorium seine Befürchtung mit, BP werde von Politik und Medien vorverurteilt. Wer genau welche Verantwortung für die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko trage - BP oder dessen Subunternehmer Transocean, Betreiber der explodierten Ölplattform "Deepwater Horizon" - sei ja noch längst nicht abschließend geklärt.

Mehr als drei Monate sind vergangen, seit die größte Ölkatastrophe in der Geschichte der USA begann. Und mehr als einmal in dieser Zeit gab der BP-Konzern Anlass, sich über die Wahrnehmungen seiner Manager zu wundern. Wut und Empörung zog vor allem Konzernchef Tony Hayward auf sich: Zu Beginn verharmloste er die Ölpest mit der Bemerkung, es handele sich nur um "geringe Mengen" von Öl im Vergleich zum Wasservolumen des Golfs von Mexiko. Später wünschte er sich "sein altes Leben zurück" und zeigte sich bei einer Anhörung vor dem US-Kongress überfordert mit Detailfragen. Mit voreiligen Erfolgsmeldungen über die bevorstehende Abdichtung der lecken Ölquelle festigte Hayward den Eindruck eines wachsenden Realitätsverlustes.

BP tauscht den Konzernchef aus und zieht die Zwischenbilanz der Ölpest

Nun muss er seinen Posten an der Spitze von BP räumen, darauf weisen alle Informationen der vergangenen Tage hin. Mit dem Zeitpunkt seiner Ablösung allerdings beweist BP sehr viel Realitätssinn. Heute legt der britische Konzern seine Zahlen für das zweite Quartal und das erste Halbjahr insgesamt vor. Hayward wird diese Bilanz wohl nicht mehr präsentieren. Denn nun beginnt der Konzern mit den Aufräumarbeiten auf breiter Front. Analysten schätzen den operativen Quartalsgewinn auf rund fünf Milliarden Dollar, das ist mehr als im Vorjahresquartal und ein respektables Ergebnis. Allerdings könnte BP jene rund 20 Milliarden Dollar in die Halbjahresbilanz einrechnen, die der Konzern als Zahlungen für Aufräumarbeiten und Schadenersatz in den USA bereits fest zugesagt hat. Dann würde aus den netten Gewinnen der vergangenen zwei Quartale ein Rekord-Halbjahresverlust - es wäre auch bilanziell der Trennungsschnitt von Haywards seit 2007 währender Amtszeit.

Wie es aussieht, läuft die Führung von BP nun auf Robert Dudley zu. Der gebürtige New Yorker wuchs im US-Südstaat Mississippi auf. Seit gut 30 Jahren arbeitet Dudley in der Ölindustrie, seit Ende der 1990er-Jahre bei BP. Dudley besitzt viel internationale Erfahrung und ist krisenerprobt. Von 2003 bis 2008 führte er das russisch-britische Gemeinschaftsunternehmen TNK-BP. Nachdem BP einen Machtkampf mit den russischen Aktionären verloren hatte, wurde Dudley aus Russland quasi ausgewiesen.

Der Amerikaner Robert Dudley ist in den Südstaaten aufgewachsen

All das wirkt im Rückblick harmlos, verglichen mit der Lage im Golf von Mexiko. Einige Wochen nach Beginn der Krise entband der BP-Aufsichtsrat Hayward auf Druck der US-Regierung von der Führung des Krisenmanagements in den USA. Hayward blieb allerdings vorerst im Konzern und kümmerte sich um den Verkauf von Konzernteilen und das Sammeln von frischem Kapital.

Das Krisenmanagement in den USA übernahm Dudley als US-Chef des Konzerns. Mit den regionalen Gegebenheiten vertraut, führte er sich rhetorisch in der amerikanischen Öffentlichkeit weit geschickter ein als Hayward. "Ich wurde beim Schwimmen und Fischen an der Küste groß", sagte Dudley im Juni nach dem Besuch ölverschmutzter Strände im Bundesstaat Louisiana. "Was ich gesehen habe, war schmerzhaft, emotional und schockierend. Im Fernsehen wirken diese Bilder verstörend, aber wenn du so etwas aus erster Hand siehst, wird es persönlich."

Dudley übernimmt einen Konzern, der innerhalb kurzer Zeit von einer bewunderten Branchengröße zu einem Unternehmen mit desaströsem Image abgestürzt ist. Der Börsenwert von BP hat sich seit Beginn der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko innerhalb von Wochen um mehr als ein Drittel, zeitweise bis um die Hälfte verringert. Die lecke Ölquelle scheint BP inzwischen geschlossen zu haben. Welche Folgekosten insgesamt auf den Konzern zukommen, in welcher Gestalt BP weitergeführt wird, ist aber ungewiss. Schätzungen von Analysten reichen auf bis zu 70 Milliarden Dollar an Belastungen.

Nach Meinung von Fadel Gheit, Analyst der Investmentbank Oppenheimer & Co, muss der zukünftige Chef nicht nur die Sicherheitsmaßnahmen des Unternehmens von Grund auf erneuern, sondern auch die bisherige Führungselite durch eine neue Generation von verantwortungsbewussten Managern ersetzen. "Er wird härter und schonungsloser durchgreifen müssen", sagt Gheit. Das Schlimmste sei es, würden die BP-Mitarbeiter zu ihrer alten Routine zurückkehren.

Dem gescheiterten Konzernchef Hayward dürfte der Abschied zumindest finanziell nicht allzu schwer fallen. Nach britischen Medienberichten stehen ihm umgerechnet rund zehn Millionen Euro Abfindung zu.