Der ThyssenKrupp-Konzern steht vor dem Rückzug aus dem zivilen Schiffbau. Davon geht die IG Metall aus.

Hamburg. Nach dem geplanten Verkauf der Nordseewerke in Emden und der Übernahme des Überwasserschiffbaus von HDW in Kiel durch Mittelständler steuere der Konzern auf ein "nationales Rüstungsunternehmen" zu, sagte der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Werftenholding ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS), Heino Bade, dem Abendblatt. Künftig werde man sich ausschließlich auf die beiden Säulen U-Boot-Bau in Kiel und Überwasser-Marineschiffe in Hamburg konzentrieren. "In der Hansestadt wird dazu vorerst noch die Reparatur, der zivile Neubau und der Maschinenbau vorgehalten."

Doch die Zukunft von Hamburgs Traditionswerft Blohm + Voss ist für Bade, den Schiffbauexperten der IG Metall Küste, weiter offen. "Über den Verkauf des zivilen Schiffbaus bei Blohm + Voss wird weiter gesprochen." "Dies ist jedoch eine reine Spekulation", sagte TKMS-Sprecherin Andrea Wessel dem Abendblatt. Als Hauptinteressent gilt derzeit Scheich Hamdan bin Zajed al-Nahjan aus Abu Dhabi, der bereits die Nobiskrug-Werft in Rendsburg übernommen hatte. Die Sondierungsgespräche über einen Verkauf aller drei Betriebe von Blohm + Voss in Hamburg waren Mitte August öffentlich geworden.

Der Militärschiffbau allein scheint aber für die Gewerkschaft nur schwer aufrecht zu erhalten, da die Aufträge dort keine permanente Beschäftigung sichern können. Es sei denn der "Staat garantiert die Beschäftigung, was für Deutschland undenkbar ist", so Bade. Bei den Überwasserschiffen sei aber "seit zehn Jahren" kein Exportauftrag mehr abgewickelt worden. Und wie lange die bisher nur in Deutschland ausgereifte Brennstoffzellen-Technik noch Aufträge für U-Boote sichere, sei ebenfalls ungewiss. "Da stellt sich die Frage, ob ThyssenKrupp künftig noch Schiffbau betreiben will", sagt der IG-Metall-Sekretär.

Interesse an einer Übernahme gerade der U-Boot-Fertigung dürfte weiter der französische Rüstungskonzern DCNS haben, zu dem sich der Elektronik-Hersteller Thales und die Marinewerften von DCN zusammengeschlossen haben. Werden die für die Neustrukturierung notwendigen Rückstellungen noch in dem im September zu Ende gehenden Geschäftsjahr verbucht, könnte dies das Interesse der Franzosen an der Werftenholding TKMS erhöhen.

Doch eine Entscheidung über die Veränderungen bei HDW und den Nordseewerken wollen die Arbeitnehmer morgen in der Aufsichtsratssitzung nicht mittragen. "Dabei ist es das Ziel von ThyssenKrupp, den Betrieben in Kiel und Emden eine Zukunftsperspektive zu geben", so die TKMS-Sprecherin. Betriebsbedingte Kündigungen oder sogar die Stilllegung von Standorten sei nicht vorgesehen.

Neben den 40 Millionen Euro von Siag würde auch ThyssenKrupp weiter in Emden investieren. Überkapazitäten in der Fertigung, die innerhalb des Konzerns Kosten in dreistelliger Millionenhöhe verursachten, müssten jedoch abgebaut werden. So werde der Schiffneubau bei den Nordseewerken mit dem Hochlauf der Fertigung von Offshore-Windanlagen 2012 enden. "So schwerwiegende Beschlüsse kann man nicht unter einem so hohen Zeitdruck treffen" sagt Bade.

So dürfte, wenn sich ThyssenKrupp nicht allein mit der Doppelstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden durchsetzen will, am Freitag noch keine Entscheidung fallen. Für den 28. September ist nun eine weitere Aufsichtsratssitzung vorgesehen. Es soll aber noch für dieses Geschäftsjahr entschieden werden.

Dabei wehrt sich die Gewerkschaft nicht grundsätzlich gegen den Einstieg der Windanlagenhersteller Siag Schaaf in Emden und der Bremerhavener Rönner Gruppe in Kiel, wie die IG-Metall-Vorsitzende des Bezirks Küste, Jutta Blankau, deutlich gemacht hat. Dazu setzt Bade darauf, dass ThyssenKrupp an der Ems nicht nur etwa Finanzierungen für die Siag stützt, sondern auch eine industrielle Beteiligung aufrecht erhält.

Die vier Fregatten F 125 für die Deutsche Marine, deren Fertigung frühestens in drei Jahren beginnen soll, sollen nun voraussichtlich alle in Hamburg entstehen. Zwei waren für Emden vorgesehen.

Klar ist: Der deutsche Schiffbau steht erneut vor einem tiefen Einschnitt. Mehr als 5000 Menschen arbeiten bei Blohm + Voss, HDW und den Nordseewerken in Emden. Durch den Einstieg der Siag Schaaf und von Rönner werden mehr als 1000 in den Stahlbau wechseln. "Es wird", ist sich Bade sicher, "bei den Werften nur Verlierer geben."