Die Hamburger Firma Mylk hat ein IT-System entwickelt, das Paparazzi von Jachten fernhalten soll. Damit setzt die Zwölf-Mann-Crew Millionen um.

Hamburg. Es sind Geschichten von Menschen, die in einer anderen Welt leben. Von einem, den es wurmte, dass die ersten 20 Meter seiner 80 Meter langen Jacht nur schwer zu sehen waren und das Schiff wegen der fehlenden Beleuchtung viel kleiner wirkte. Oder von einem, der sich von seiner Freundin trennte, seine Jacht umbenannte und nur für das Ausleuchten des Namens der neuen Geliebten 180.000 Euro auf den Tisch legte.

Solche Geschichten können Sarah Hassert, 37, und Thorsten Hoven, 47, erzählen. Natürlich ohne die Namen ihrer Kunden zu nennen. Denn das würde die Wahl-Hamburger, die aus Köln und dem Ruhrgebiet stammen, sofort aus dem Geschäft werfen. Mit ihrer Firma Mylk, die gerade von St. Georg nach Ottensen umgezogen ist, statten die Designer Superjachten mit Beleuchtung aus.

Die eigene Geschichte von Hassert und Hoven beginnt in den 90er-Jahren noch in der Domstadt. Hoven, der Hassert als Praktikantin einstellt, entwirft dort Stände, Foyers oder Pavillons vor allem für Messen. Eine lukrative Aufgabe, auf die Dauer aber wenig befriedigend. "Wir haben viel Zeit und Geld in Projekte gesteckt, die nach dem Ende der Messen rasch abgebaut wurden", sagt er. Die beiden, inzwischen ein Paar, wechseln nach Hamburg und übernehmen dort einen Forschungsauftrag für den Bund.

Es geht um intelligente Systeme für Häuser, mit denen Telekommunikation, Sicherheit, Unterhaltungselektronik oder die Heizung gesteuert werden können. Als sie im Auftrag eines Russen dessen Haus auf diese Weise ausrüsten, kommt die Wende. Offensichtlich nach einer Empfehlung meldet sich die Bremer Lürssen-Werft, neben Blohm + Voss einer der großen deutschen Anbieter für Megajachten. Ob man sich vorstellen könnte, ein komplettes Lichtsystem zu installieren, das Kunden zudem vor Fotos für Boulevardzeitungen schützt?

Hassert und Hoven können. Inzwischen erzielt ihre Firma Mylk mit einer zehnköpfigen Mannschaft einen Umsatz in einstelliger Millionenhöhe. "Wir schaffen derzeit jährlich drei Schiffe und arbeiten an unserer 24. Jacht", sagt Hassert. Die Arbeiten reichen von der ersten Designstudie bis hin zur Montage. Von der Beleuchtung für Salons, Discos und Kleiderschränke über kilometerlange Leuchtdioden entlang der Decks bis zu den Leuchten für die Crew.

Gegen die Blitze der Paparazzi wird ein IT-gestütztes System installiert, das sich durch einen Alarmknopf aktivieren lässt. Es steht mit Satelliten in Verbindung, um so aus der Position des Schiffes errechnen zu können, von welcher Seite Einblicke in die Privatsphäre der Eigner möglich sind. Wichtig bei den zumeist mehrsprachigen Besatzungen ist auch, dass sie die Steuerung intuitiv verstehen und dass allen Teilen weder der Temperaturwechsel zwischen Arktis und Südsee, noch Salzwasser oder Seeluft etwas anhaben kann. Preis der Sicherheit: 100 000 bis 700 000 Euro.

Sind die Anlagen fertig, erfassen Bewegungsmelder und Wärmesensoren ungebetene Gäste, dreh- und schwenkbare Strahler blenden auf und lassen Fotografen keine Chance. Wer dennoch knipst, findet Streifen, Flecke und weiße Löcher auf den Bildern - verkaufen lassen sich die Ergebnisse nicht. "Wie alles genau funktioniert, bleibt Betriebsgeheimnis", sagt Hassert, längst gleichberechtigte Geschäftsführerin neben ihrem Partner.

Klar ist: Auch Piraten lassen sich mit den Leuchten vertreiben. Wenn das Licht an Bord ausgeht, und Scheinwerfer blenden, kann kein Seeräuber sicher sein, ob hinter dem Lichtvorhang nicht Sicherheitspersonal auf ihn wartet.

Mit dem Standortwechsel baut Mylk derzeit die Fertigung aus. In dem ehemaligen Ottenser Kindertheater entsteht eine 500 Quadratmeter große Manufaktur. So ist künftig mehr Platz, um die Spezialleuchten von Hand zusammenzubauen und ihre Wirkung im Labor zu testen. Zulieferungen kommen fast nur aus Deutschland, Ersatzteile werden innerhalb von 24 Stunden verschickt.

"Jeder in unserem Team hat mindestens zwei Berufe", sagt Hoven. Architekten sind auch Zimmerleute, Designer auch Segelmacher und Projektleiter kennen sich mit Tischlerarbeiten aus. Hoven und Hassert haben jeweils zwei Studien hinter sich. Kommunikationsdesign und Mediengestaltung sowie Literatur und Politik. Gesucht wird derzeit ein "kreativer" Elektroingenieur. Gute Englischkenntnisse und Reisefreudigkeit vorausgesetzt.

Sind ausreichend Mitarbeiter gerade in Hamburg, kocht und isst das Mylk-Team mittags zusammen. Neuer Treffpunkt dafür soll das Café werden, das Mylk Anfang August im Vorraum der Manufaktur eröffnet hat. "Hier wollen wir auch Spezialitäten anbieten, die wir auf unseren Reisen kennengelernt haben", sagt Hassert zum Nebenerwerb.

Nach der Krise zieht jedoch auch das Geschäft mit den Luxusjachten an. Und so werden die Vertrauten der Oligarchen, Unternehmerfamilien und Scheichs wieder häufiger zu Besuch kommen. Meist 20 bis 40 Jahre alt, Muttersprache Englisch, gewandt und viel gereist. Weltbürger, die die Millionengeschäfte entspannt bei einer Flasche Wein abwickeln. "Nur einmal, ganz am Anfang der Verhandlungen, wird über Geld gesprochen", sagt Hoven. Besteht erst einmal ein Vertrauensverhältnis, ist das kaum mehr nötig."

Ebenso wenig wie Werbung, die Mylk noch nie geschaltet hat. "Die Dinge kommen auf uns zu", sagt Hoven. Voraussetzung: Es wird nicht mehr als nötig über Kunden erzählt. Erst zuletzt soll ein millionenschwerer Eigner die Leuchten der Hamburger sofort erkannt haben. Als er seine Jacht besichtigte, blieb sein Blick am angestrahlten Namenszug auf einer Glasscheibe hängen. "Das ist doch von Mylk", entfuhr es ihm. Da hatte der Mann recht.