Das Schiffahrtskontor Altes Land bestellt zwei Schwergutschiffe für 120 Millionen Euro bei den Hamburgern und rettet über 1000 Arbeitsplätze.

Steinkirchen. Idylle pur. Über zwei Kilometer erstreckt sich ein Park mit Entwässerungsgraben, Schwimmteich und einem Parkplatz unter blühenden Apfel- und Kirschbäumen. Das Rotklinkerhaus mit Anbau und Kiesweg steht gleich neben Ausflugslokalen, Bauern- und Obsthöfen. Nur die Firmenaufschrift und ein paar als Gehwegbegrenzung einbetonierte Poller lassen ahnen, dass hier eine weltweit tätige Reederei ihren Sitz hat. In Steinkirchen ist das Schiffahrtskontor Altes Land (SAL) mit 90 Beschäftigten der größte Arbeitgeber. Wichtiger aber sind die Niedersachsen für Hamburgs Schiffbau: Die SAL ist der Retter von mehr als 1000 Beschäftigten der Sietas-Werft.

Denn Ende Juli 2009, als die Not im 17 Kilometer entfernten Neuenfelde groß ist und niemand in der Schifffahrt mehr Neubauten will, geht ein 120-Millionen-Euro-Auftrag für zwei Schwergutfrachter an Sietas und den neuen Geschäftsführer Rüdiger Fuchs. Für SAL-Chef Lars Rolner, 49, fast eine Selbstverständlichkeit. Denn die Reederei hat seit ihrer Gründung alle ihre Schiffe bei Sietas geordert. Mehr als 50 sind es seit 1980. In diesem Jahr übernahmen die Brüder Hans und Claus Heinrich das Unternehmen von ihrem Vater Paul, kauften den Firmensitz und ließen die damals noch im Hinterhaus untergebrachte Schlachterei abreißen. Die vom Vater bereederten auch auf Flüssen einsetzbaren Küstenfrachter ersetzten sie durch Schwergutschiffe. Frachter, die Maschinenteile wie Motoren, Kraftwerkstechnik oder Teile von Windkraftanlagen aufnehmen können.

Rote Zahlen kennt die Reederei aus dem Alten Land nicht

Seitdem geht es stetig bergauf. "Rote Zahlen haben wir nie geschrieben", sagt Rolner, der 1981 als Trainee erstmals nach Steinkirchen kommt, seit 1992 fest an Bord ist und 2001 zum Partner der beiden Heinrich-Brüder aufsteigt. In der Nische der Schwergutfahrt, deren Frachter nicht einmal ein Prozent aller Hochseefrachter ausmacht, gedeiht SAL - die Flotte wächst. Heute fahren 14 Schiffe unter dem Logo der Reederei. "Wir hatten schon 22 Frachter, aber wir können heute deutlich mehr transportieren", sagt der Schifffahrtskaufmann Rolner, der aus dem dänischen Aarhus stammt.

Kein Wunder: Hatten die ersten Neubauten zwei Krane für je acht Tonnen, heben die Krane der bei Sietas bereits begonnenen Schiffe jeweils 1000 Tonnen. Es sind nicht nur die größten, sondern auch die schnellsten Schwergutfrachter weltweit. "Mit 20 Knoten statt mit 16 Knoten wie bei der Konkurrenz schaffen wir pro Jahr eine Reise mehr", sagt Rolner. Ausgelastet waren die Decks auch in der Krise.

Getroffen haben die SAL dennoch die weltweit sinkenden Preise für den Transport, zumal sich auch unterbeschäftigte Containerreeder mit dem Anlagentransport versuchten. Um 30 bis 40 Prozent sanken die Raten 2009. Doch auch im vergangenen Jahr blieb bei 180 Millionen Euro Umsatz ein zweistelliger Millionenüberschuss, weil für Aufträge bis Mitte 2009 noch auskömmliche Preise vereinbart waren. "In diesem Jahr wird sich die Krise stärker bemerkbar machen", sagt Rolner. Aus der Ruhe bringt ihn das nicht. "Wir hatten seit 2003 fünf gute Jahre, die Konjunktur setzte wie auf Knopfdruck ein." Allein schon der damals herrschende Schiffbauboom ließ die SAL-Frachter unermüdlich Motoren und Hilfsmaschinen zu den Bauplätzen bringen - von Asien nach Europa und in umgekehrter Richtung.

Finanziell unabhängiger macht die Reederei der Beschluss, nicht mehr auf die Gelder von privaten Anlegern zu setzen. "Wir haben von 2001 an die über das Emissionshaus HCI eingestiegenen Anleger ausbezahlt. Das bringt mehr Entscheidungsfreiheit", ist der Däne sicher. Schließlich sei es langfristig gesünder, wenn "nur die an der Schifffahrt verdienten, die aktiv beteiligt" seien.

Die Branche beginnt sich jetzt zwar zu erholen. Doch die Konkurrenz in der Schwergutfahrt dürfte schärfer werden. Zwar sind derzeit nur 23 Schwergutfrachter bestellt, doch die meisten von ihnen haben heute Krane, die 500 bis 800 Tonnen heben können. Das reicht, um wie SAL bei Transporten für die Öl- oder Chemieindustrie mitzubieten. "Allerdings gehört mehr zum Erfolg als einfach nur die Schiffe", sagt Rolner.

Partner seit 2007 ist die japanische Reederei K-Line

Es sind die Ingenieure von SAL, die die Statik für die Transporte berechnen. Die Kaufleute, die weltweit neue Ladung finden, oder die Neubauinspektion. Das Netz von Vertriebs- und technischen Büros hat die K-Line vervollständigt. Der japanischen Großreederei gehört seit 2007 die Hälfte der SAL. "Lange konnten wir das geheim halten", freut sich Rolner, "weil wir uns immer an anderen Orten getroffen haben, nur nicht in Tokio oder in Hamburg."

Zukunft bedeutet für den 1,93 Meter großen SAL-Chef wieder Sietas. Wie eine Spinne im Netz bildet die Werft das Zentrum der zumeist deutschen Zulieferer, auf deren Pumpen, Ruder oder Motoren SAL besteht. Die Krane an Bord liefert ohnehin die zur Sietas-Gruppe zählende Neuenfelder Maschinenfabrik. Diese Teile, die 20 Prozent des Preises ausmachen, hat Sietas stets auf Schiffen verbaut, die als Mercedes der Branche gelten. Rolner lobt den "handwerklichen Stolz" der Hamburger Schiffbauer, den hohen Wiederverkaufswert der Schiffe und die gesicherte Ersatzteilversorgung, die Reparaturen in Tagen oder Wochen statt in Monaten möglich macht. Bei Aufträgen an China sieht er dagegen das Know-how der Reederei in Gefahr. "Würden wir dort beispielsweise vier Schiffe bestellen, bauen die vielleicht zehn und geben die sechs anderen an die Konkurrenz."

Verhandelt wird inzwischen wieder zwischen Steinkirchen und Neuenfelde über neue Schwergutfrachter und über einen neuen Typ. "Wir haben ein Konzept für ein Installationsschiff für Windkraftanlagen auf See", sagt Rolner. Gar nicht unwahrscheinlich, dass sich beide Seiten wieder einig werden.