Euro-Bonds, Anleiheaufkäufe oder hartes Sparen. Volkswirte streiten über das richtige Konzept. Chancen und Risiken der Szenarien.

Hamburg. Auch die Regierungswechsel in Italien und Griechenland verschaffen der Euro-Zone in der Schuldenkrise keine Atempause: Zwar gelang es Italien am Freitag, zehn Milliarden Euro frisches Geld am Markt aufzunehmen, aber das hoch verschuldete Land musste für zweijährige Papiere rekordhohe Zinsen von 7,8 Prozent zahlen. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso nannte die Lage in Europa "sehr besorgniserregend".

Vor diesem Hintergrund mehren sich die Zweifel, ob das bisherige Rezept der Euro-Zone gegen die Krise - man erhöht den Druck auf einzelne Länder, strenger zu sparen, und für den Notfall steht ein Rettungsschirm bereit - noch tauglich ist. Zwei Alternativen dazu werden immer ernsthafter diskutiert: Die Euro-Länder könnten sich über gemeinsame Staatsanleihen, sogenannte Euro-Bonds, finanzieren; damit gäbe es nur noch einen Zinssatz für alle, die Starken würden für die Schwachen mithaften. Oder aber die Europäische Zentralbank (EZB) kauft in noch viel größerem Stil als bisher Staatsanleihen hoch verschuldeter Länder auf und senkt auf diese Weise deren Renditen. Das Abendblatt zeigt Chancen und Risiken der verschiedenen Strategien auf.

Szenario 1: EZB kauft massiv Anleihen

"Eine Entscheidung dafür kann auf die Märkte kurzfristig beruhigend wirken", sagt Kai Carstensen, Konjunkturchef des Ifo-Instituts. Er sieht aber die Gefahr, dass ein solcher Schuss nach hinten losgeht: "Die EZB ist praktisch die einzige Institution in Europa, der die Anleger noch trauen. Wenn sie ihre Grundsätze über Bord wirft, droht dies zu kippen." Vor allem würde das Vertrauen, dass die EZB mittelfristig die Inflation niedrig hält, verloren gehen. "Steigen aber die Inflationserwartungen, fordern die Investoren höhere Zinsen, was die Staaten umso mehr belastet." Zudem wirke Inflation wie eine Steuer zulasten der Konsumenten und der Halter von Privatvermögen.

Auch der Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Joachim Scheide, lehnt diese Lösung ab - nicht nur wegen der Inflationsgefahr: Der Druck auf die hoch verschuldeten Staaten, tatsächlich zu sparen, nehme ab. Ungewiss bleibe zudem, wie die Märkte auf einen solchen Beschluss reagieren werden. Scheide bemüht den Vergleich mit einer Bazooka: "Wenn der Schuss nicht sitzt, dann ist man verloren. Es gibt kein weiteres Mittel mehr danach, das greifen könnte."

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Szenario 2: Euro-Bonds kommen

Gemeinsame Staatsanleihen sind nach Ansicht von Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), unter allen schlechten Lösungsansätzen noch der beste. Zwar würden damit Schulden vergesellschaftet und quersubventioniert. "Im Gegensatz zum Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB hat dieser Weg aber den Vorteil, dass an die Mittelvergabe Bedingungen geknüpft werden können - zum Beispiel an Strukturreformen oder Einsparungen." Straubhaar plädiert dafür, dass neben Euro-Bonds die Ausgabe nationaler Staatsanleihen bestehen bleiben soll. Damit würde sich die Last für Deutschland in Form höherer Zinsen erleichtern.

Gleichzeitig rät Straubhaar zur Gelassenheit. "Deutschland hat in den vergangenen 15 Jahren stark von Europa profitiert. Das dadurch entstandene Ungleichgewicht haben wir unterschätzt. Hierfür müssen wir jetzt bezahlen." Begrüßenswert sei, dass Europa erstmals seine Probleme gemeinsam lösen wolle statt in nationalen Alleingängen oder mit Waffengewalt. "Ein Ende des Euro muss verhindert werden. Es wäre die teuerste Alternative. Die Verflechtungen sind so groß, dass es kein Zurück mehr gibt. Wenn man einmal 27 Eier zu einem Rührei verquirlt hat, kann man nicht mehr ganze Eier daraus machen." Nach Auffassung von Carstensen bergen auch die gemeinsamen Anleihen ein erhebliches Risiko: "Euro-Bonds würden darauf hinauslaufen, dass nur noch Deutschland für die gesamte Euro-Zone bürgt - und es ist unklar, ob die Investoren das akzeptieren würden. Niemandem ist geholfen, wenn Deutschland auch noch fällt."

Szenario 3: Zurück zu Maastricht

Für IfW-Konjunkturchef Scheide ist die Rückkehr zu den Maastricht-Verträgen langfristig der einzig richtige Schritt. "Wir brauchen einen Stabilitätspakt mit Biss. Die Verträge müssen endlich eingehalten werden. Dazu gehört die gegenseitige Nichthaftung sowie die strengere Überwachung der Haushalte der Staaten." Wenn dies umgesetzt sei, könne die Haushaltskonsolidierung vorangetrieben werden, zu der es keine Alternative gebe. Die Überschuldung der Staatshaushalte sei der Auslöser der Probleme.

"Die strenge Einhaltung der Maastricht-Kriterien ist zwar wünschenswert, aber derzeit nicht praktikabel", ist dagegen Thomas Straubhaar überzeugt. "Wenn ein Haus - wie Griechenland - brennt und droht, Nachbargebäude - wie Portugal oder sogar Spanien und Italien - anzustecken, dann sind Prinzipien nicht zielführend, die besagen, dass jeder seinen Brand selber löschen soll. Bevor wir über Feuerwehren und bessere Brandverhütung lange diskutieren, sollte erst mal ganz schnell gelöscht werden."

Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, ist zuversichtlicher: "Das Beispiel Irland zeigt, dass eine wettbewerblich organisierte Volkswirtschaft verlorenes Vertrauen rasch zurückgewinnen kann." So seien die Renditeaufschläge irischer Staatsanleihen gegenüber entsprechenden Bundesanleihen seit dem Sommer zurückgegangen, nachdem das Land wieder an internationaler Wettbewerbsfähigkeit gewonnen habe.