Qantas verordnet seiner Flotte drei weitere Tage Zwangspause. Lufthansa fliegt weiter und schickt eine weitere Maschine in die Luft.

London. Triebwerke von Rolls-Royce sind die "Kronjuwelen britischer Ingenieurskunst", sagt der Luftfahrtexperte Tim Robinson. Doch aus der Krone ist ein Zacken herausgebrochen. Der Ruf des Motorenbauers aus Derby, jahrzehntelang Inbegriff für Qualität und ausgefeilte Technik, hat nach zwei Flugzeugnotlandungen Schrammen bekommen. Dabei sind die Triebwerke aus Großbritannien mit das Beste, was der Markt zu bieten hat. "Der Ruf von Rolls-Royce ist herausragend", sagt auch der Hamburger Triebwerksexperte Willy Bräunling. Was aber hat zu den aktuellen Pannen geführt?

Nur 36 Stunden nach dem Problem an einem Qantas-Airbus A380 mit Trent-900-Triebwerken blinkten im Kontrollzentrum am Stadtrand von Derby schon wieder die Alarmlampen. Eine Boeing 747 musste wegen Schwierigkeiten mit einem Rolls-Royce-Triebwerk RB 211 notlanden. Gestern wurde bekannt, dass bei vorsichtshalber von Qantas auf Rolls-Royce-Empfehlung angeordneten Sicherheitskontrollen Öllecks entdeckt wurden. Die Techniker hätten bei ihren Untersuchungen "Öl, wo kein Öl hätte sein sollen", gefunden, sagte Qantas-Chef Alan Joyce. Die australische Airline lässt ihre A380-Flotte nun für weitere drei Tage komplett am Boden. Verzweifelt wird nach Teilen eines Zahnrads gesucht, das der Airbus nach seinem Start in Singapur verloren hat. Das fehlende Teil könnte, so glauben die Techniker, die Fragezeichen beseitigen.

Bei Hitze kann sich das Öl entzünden und zu Schäden führen

Der Ölaustritt bei den australischen Riesen-Airbussen passt in verblüffender Weise zu einer Direktive, die die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA mit Sitz in Köln am 4. August herausgegeben hat. Die Kölner Experten hatten Materialermüdung beim Trent 900 festgestellt - just an ölgeschmierten Lagern in der Mitteldruckturbine. Genau dort soll der Schaden in Singapur entstanden, genau dort soll eine Turbinenscheibe geplatzt sein.

In der EASA-Direktive Nummer 2010-0008R1 hatte es geheißen, dies könne bei einer Verkettung von Faktoren zum Austritt von Öl führen. Bei der enormen Hitze könne sich das Öl entzünden und so zu Materialschäden führen. Für Bräunling ist dieser Zusammenhang zwar längst nicht bewiesen, aber ein "denkbares Szenario" des Zwischenfalls von Singapur. Genaues wird erst bekannt werden, wenn Rolls-Royce selbst an die Öffentlichkeit geht. Die Firma, deren Aktien in den vergangenen Tagen bis zu 13 Prozent verloren haben, kommuniziert seit Donnerstag nur zwei Worte: "No comment."

Die in der Kritik stehenden Trent-900-Triebwerke sind zwar eigens für den Airbus A380 entwickelt worden, basieren aber auf jahrelanger Erfahrung der Triebwerks-Familie Trent und deren Vorgänger, der RB 211. Mit "30 Millionen Stunden Erfahrung" wirbt Rolls-Royce für seine Triebwerksserie Trent. Die Techniker mussten für das neue Triebwerk allerdings einige Sonderbedingungen erfüllen: Es sollte leichter sein als seine Vorgänger. Die Version verbraucht weniger Treibstoff und stößt weniger Stickoxide aus. Bei alledem ist sie auch noch viel leiser als ihre Vorgänger. Haben all diese Vorgaben zu Zugeständnissen beim Material geführt? Professor Bräunling geht nicht davon aus. Die in der Mitteldruckturbine verbauten Materialien seien alle über Jahrzehnte bewährt. "Das kann mit ziemlicher Sicherheit nicht sein", so der Experte.

Auch Singapore Airlines war zufrieden mit seinen Tests

Der Flugzeugbauer Airbus wird derweil keine neuen Empfehlungen an die Airlines abgeben. "Wir haben die Gesellschaften in der vergangenen Woche gebeten, die A380-Antriebe des Herstellers Rolls-Royce überprüfen zu lassen", sagte gestern ein Airbus-Sprecher. Wenn es bei den Inspektionen keine Auffälligkeiten gebe, könnten die Maschinen problemlos weiter eingesetzt werden. Lufthansa habe die Trent-900-Triebwerke auf ihren drei A380-Maschinen nach Rolls-Royce-Empfehlungen getestet und ohne Befund freigegeben, so ein Sprecher. Nach dem Abschluss der zusätzlichen Tests lässt die Kranichlinie ihre Flotte in der Luft. Am 19. November will sie die vierte Maschine in den Linienverkehr schicken. Lufthansa hat insgesamt 15 Maschinen bestellt.

Auch Singapore Airlines war zufrieden mit seinen Tests. Deren Maschinen fliegen ebenfalls mit dem Trent 900. "Wir haben die vom Triebwerk-Hersteller Rolls-Royce und vom Flugzeugbauer Airbus empfohlenen Triebwerksinspektionen an allen unseren A380-Maschinen abgeschlossen und nichts gefunden, was uns Anlass zur Sorge gibt", sagte Unternehmenssprecher Nicholas Ionides in Singapur.