Berlin. Die Kolumne ist ein Jahr alt und ihre Autorin 37 – statistisch die Mitte des Lebens und der Beginn des Verfalls. Oder des Wahnsinns.

Während ich diese Kolumne schreibe, werde ich sicherlich mit meinen Zeigefingern zweimal über meine Zornesfalte fahren. Um sie zu glätten. Meine Freundinnen, die wie ich ab heute 37 Jahre alt sind, sagen, dass Botox okay ist. Und gar nicht teuer. 180 Euro beim Hautarzt. Ich habe da noch Bedenken.

Also glätte ich vorerst mit dem Finger weiter und beobachte die tiefer werdende Zornesfalte morgens, mittags und abends, im Aufzug, auf Fotos und beim Händewaschen im Spiegel. Ich hatte am Sonntag Geburtstag und wurde 37 Jahre alt, aber das erwähnte ich bereits. Meine Kolumne Single Mom wurde zeitgleich mit mir ein süßes Jahr alt. Und was haben wir nicht alles erlebt zusammen: Anfangs war gar nicht klar (auch mir nicht), wer diese Single Mom überhaupt ist.

Wie, die Single Mom hat einen Freund?

36 Jahre, alleinerziehend mit zwei kleinen Kindern und Vollzeitjob, gemeldet in Berlin-Pankow, französische Wurzeln, aber was noch? Also fing ich an, über meine Bekannten und ihre Liebhaber zu schreiben, über meinen Freund, meine Kinder und meine Harmoniesucht. Und da gab es schon die ersten Reaktionen.

Wie? Die Single Mom hat einen Freund? Ja, wie soll das denn gehen als Single Mom? Bis heute konnte ich da aber die Gemüter beruhigen. Denn eine Alleinerziehende ist laut deutscher Gesetzesdefinition eine Frau, die als einziger Erwachsener mit ihrem Kind oder eben Kindern an einem Wohnort gemeldet ist.

Wie alles begann: „Single Mom“ – Was es heißt, alleinerziehend zu sein

Eine Au-pair? Ist das nicht Luxus?

Aber wie jede Alleinerziehende mit Job habe ich Hilfe, weil es sonst gar nicht geht. Sehr, sehr viel davon. Den Vater der Kinder, meine Mutter, die in Berlin lebt, und meine Au-pair aus Mexiko, die Anlass für die nächsten Leserbriefe (ich liebe Leserbriefe und Kommentare!) wurde.

Wie? Eine Au-pair? Ist das nicht Luxus? Nein, antwortete ich darauf. Es ist tatsächlich die günstigste Variante der Kinderbetreuung, wenn man bereit ist, sein Zuhause mit einem weiteren Menschen zu teilen. In meinem Fall bringt dieser Mensch Fröhlichkeit in meinen Alltag.

Nelli ist immer gut gelaunt, bastelt mit den Kindern ganze römische Städte nach (Kolosseum, Kapitol und Galeeren) und hat Mitleid mit ihren westeuropäischen Gastgebern, wenn sie scharf mexikanisch kocht.

Single Mom wurde schließlich politisch

Dann wurde es nach ein paar Monaten interessant für mich als Kolumnistin. Ich wagte mich auf unbekanntes Feld. Machte mein Privates politisch.

Der Entschluss, meinen Sohn auf eine Privatschule zu schicken, begründe ich bis heute damit, dass es in meinem Bezirk in manchen Straßenzügen mehr als zwei Drittel AfD-Wähler gibt und Menschen, die extrem rechts wählen. Ich will aber, dass mein Kind mit soviel Diversität wie möglich aufwächst – und offenbar wollen das viele Eltern an unserer Schule auch.

Viele böse Briefe wegen der Helene-Fischer-Kolumne

Viele lasen die Kolumne über die AfD und die Schule, ich lernte, was ein Shitstorm ist, was es bedeutet, wenn die Trolle des Internets sich auf dich einschießen. Ich lernte, dass es wichtig ist, konstruktiver Kritik zu antworten und Beleidigungen zu ignorieren.

Ebenso viele böse Briefe bekam ich, als ich die deutsche Schlager-Ikone Helene Fischer als kein Vorbild für unsere Töchter bezeichnete. Umso mehr Spaß machten mir Glossen über Friedrich Merz im feministischen Vereinsheim, Christian Lindner und seine Lederjacke, Jens Spahn und die ernst gemeinte Frage zu seiner geplanten Abtreibungsstudie, ob es denn noch geht?

Ich beglückwünschte Rezo zu seinem Mut, schimpfte auf französische Erziehung, geriet in Verzweiflung über das frühe Aufstehen an Schultagen, disste Rapper Kollegah, freute mich für die mutige Greta Thunberg.

Aus der Kolumne wird eine Fernsehserie

Single Mom wurde ein Buch, wird eine TV-Serie und die Protagonistin ohne Gnade älter. Ein Jahr ist meine Kolumne nun alt und ich wünsche mir, dass sie noch ein bisschen weitergeht, dass ich an ihr lerne und dass ich Anlass liefere, zu lachen oder zu diskutieren.

Das aber nächste Woche erst, denn jetzt feiere ich Geburtstag. Natürlich mit meinen Kindern. Und meinem Freund. In einem Boot, das ich lenken muss. Wünschen Sie mir Glück.